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Tödliche Ernte

Tödliche Ernte

Titel: Tödliche Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicky Stiefel
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1
    Mein alter Grand Wagoneer kam ins Schlittern, als ich scharf nach rechts einschlug und auf den Parkplatz des gerichtsmedizinischen Instituts fuhr. Unsicher ging ich über den Asphalt. Der Wind fuhr mir unter den Mantel, während ich mir vorstellte, an einem dunstigen Sommertag durch blumenbedeckte Hügel zu wandern. Diese Vorstellung half mir bis zur Tür und ins Warme.
    Ich war spät dran. Ich hatte die tägliche Gruppenbesprechung um neun verpasst, das mgap -Meeting, das ich für zehn anberaumt hatte, und auch die Autopsie, bei der ich eigentlich hatte dabei sein wollen und die für elf angesetzt war.
    Ausgehungert schlang ich einen Muffin herunter, während ich aus dem Mantel schlüpfte und meine Bean Boots abstreifte.
    Kim Itos Akte warf ich auf den Schreibtisch. Sie war der Grund für meine Verspätung. Sich mit ihr zu treffen, hatte sich gelohnt – wie immer –, aber ich würde mich den Rest des Tages ranhalten müssen.
    Ich füllte Pennys Wassernapf auf. Sie ist ein echter Kumpel: meine Freundin, meine Vertraute und nebenbei ein dreibeiniger Deutscher Schäferhund, der früher mal als Spürhund bei der Hundestaffel war. Ich gab Penny einen Klaps und eine Belohnung, winkte den Mitarbeiterinnen im mgap -Hauptbüro zu und hastete zu meiner Mittagsgruppe.
    »Hey«, sagte ich.
    Arlo zog die Mundharmonika aus dem Overall und spielte eine melancholische Melodie. Wie immer winkte Christy zur Begrüßung mit einem ihrer roten Zöpfe. Mary und Donna, die zwei uns zugeteilten Betreuerinnen, wirkten erleichtert; vermutlich, weil Roland Blessing sie nervte – wie üblich. Blessing blickte mich finster an, bevor er mir den Rücken zukehrte.
    »Wie geht’s euch allen?«, fragte ich in die Runde.
    »Warum müssen Sie immer so anfangen?«, blaffte Blessing.
    »Ich bin offen für Alternativen, Roland.«
    Blessing saß stramm wie ein Soldat und mit vor Wut verkniffenem Gesicht da und fuhr sich mit der Hand durch das pomadisierte Haar. »Sie wissen genau, dass ich der Einzige bin, der gezwungen ist, hier zu sein. Das kotzt mich an.«
    Im Dezember war er zu unserer Selbsthilfegruppe gestoßen, in der alle einen Angehörigen durch Mord verloren hatten. Blessing war vom Gericht zur Teilnahme verdonnert worden, weil er die Frau bedroht hatte, die er für die Mörderin seiner Tochter hielt. Entweder wir oder das Gefängnis.
    »Moira ist seit drei Jahren tot«, sagte ich. »Da wäre es vielleicht an der Zeit zu trauern, statt andauernd wütend zu sein.«
    Wie immer begann er, eine Münze zwischen den Fingern zu drehen, einen goldenen Sacagawea-Dollar. Das erinnerte mich an Gangsterfilme aus den Dreißigern. Er wusste, dass es mich nervte.
    Er steckte voller Zorn und spielte den starken Mann, dabei war er ein durch und durch trauriger Mensch. Vielleicht ließ ich ihm deshalb mehr durchgehen als anderen.
    »Roland?«, wiederholte ich und versuchte, mein Mitgefühl über die Stimme auszudrücken.
    Mit dem Finger deutete er auf Arlo. »Diese beschissene Mundharmonika macht mich krank.«
    »Und du bist ein Idiot«, sagte Arlo.
    »Leck mich doch …«
    »Roland! Arlo!«, donnerte ich. »Jeder hier kennt die Regeln. Mich könnt ihr angreifen oder beschimpfen, was auch immer. Aber niemanden aus der Gruppe.«
    Arlo spielte einen Triller.
    Blessing fing meinen Blick ein. »Ihr könnt mich alle mal.«
    »Gut gebrüllt«, sagte ich. »Aber fluchen kann jeder, Roland. Viel schwerer ist es, ehrlich zu sein und die eigenen Gefühle zu erforschen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie gehen mir auf den Keks, Tally.«
    »Das höre ich öfter. Können wir jetzt weitermachen?«
    Blessing beugte sich nah zu mir und flüsterte: »Die Mundharmonika stinkt mir einfach.«
    »Erinnert sie Sie vielleicht an Moira?«
    Sein Blick streifte den Boden. »Kann sein.«
    Ich legte ihm die Hand auf den Rücken. »Ach, Roland.«
    Die stellvertretende Leiterin unserer Organisation steckte den Kopf zur Tür herein. »Entschuldigt die Unterbrechung.«
    »Lassen Sie uns später darüber reden«, sagte ich zu Blessing. »Was ist denn, Gert?«
    »Ich hab einen Neuzugang hier. Eine gewisse Miss Jones. Sie will ausdrücklich zu Tally Whyte.«
    Herein kam eine gertenschlanke, athletische Frau mit mahagonifarbener Haut. Eine Sekunde lang kam sie mir vertraut vor. Ich kannte sie, wusste aber nicht, woher. Verdammt, so was hasste ich.
    Wir gaben uns die Hand, und sie sah mich scharf an.
    »Wen haben Sie verloren, Miss Jones?«, fragte ich.
    »Schwester.«
    »Wann?«
    »Hab’s

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