Die Datenfresser
machen sich viele keine Gedanken. Die Folgen für das Privatleben des Dritten können aber verheerend sein.
Viele Menschen haben ganz private Gründe, warum sie nicht mit bestimmten anderen Menschen, Gruppen oder Situationen assoziiert werden möchten – sei es inhaltlich, zeitlich oder geographisch. Es gehört sich einfach nicht, sie ohne ihr Einverständnis zu verdaten und zu erfassen. Genausowenig gehört es sich, sie unter Weitergabe ihrer E-Mailadresse in einem sozialen Netzwerk einzutragen, um die Bonuspunkte für »Freunde einladen« zu erhalten. Jemanden ohne sein explizites Einverständnis bei Foursquare oder Facebook Places an einem Ort »einzuchecken«, ist ein übler Verstoß gegen die digitalen Höflichkeitsregeln.
Beispielhaft kann auch die Verwendung von Google Mail betrachtet werden. Als Benutzer stimmt man mit der Annahme der Nutzungsbedingungen der inhaltlichen Auswertung aller E-Maildaten zu. Inhalte und Adressen werden also automatisiert durchleuchtet, um passende Werbung vermarkten zu können. Nun mag es dem einzelnen Nutzer vielleicht nicht wichtig sein, ob seine E-Mailnachrichten in dieser Art weiterverarbeitet werden, entweder weil er darauf achtet, für welche Zwecke er diesen Anbieter benutzt, oder weil ihm schlicht nicht bekannt ist, daß Google Einblick in die Inhalte nimmt. Der Empfänger oder Beantworter einer Google-Mail-Nachricht ist jedoch Datenlieferant wider Willen. Sein Kommunikationspartner zwingt ihn dazu, ihre Kommunikation gegenüber Google offenzulegen und sie dadurch verwertbar zu machen. Noch schlimmer sind Unternehmen und Institutionen, die auf Googles Mailservice umsteigen, nur weil sie die Mühen einer eigenen E-Mail-Infrastruktur scheuen. Sie zwingen damit alle, die mit ihnen in Kontakt stehen, ihre Kommunikation gegenüber Google offenzulegen. Facebook macht Google auf diesem Gebiet nun auch Konkurrenz und geht noch einen Schritt weiter: Alle Nachrichten, auch die aus anderen E-Mail-Systemen, sollen auf der Facebook-Seite zusammenlaufen, um dort besser analysier- und verwertbar zu sein.
Manchmal ist allerdings das bloße Einrichten eines Mitgliedkontos und das Aufnehmen von Bekannten und Kollegen in die eigenen Freundeslisten bereits der unvermeidliche Schritt zur Weitergabe von deren Daten. Insbesondere Facebook ist dafür berüchtigt. Die vielen angebotenen Zusatzdienste und Spiele auf der Plattform haben nämlich den Verrat der Datengeheimnisse inklusive. Die Entwickler der kleinen Programme (Apps) erhalten auf Wunsch automatisch die Erlaubnis zum Zugriff nicht nur auf die eigenen Daten des Profils, sondern auch auf die aller Menschen im Freundeskreis.
Mit dieser Änderung der Privatsphäre-Optionen im Dezember 2009 hat Facebook unter dem Gesichtspunkt der Weitergabe von Informationen von Dritten an Dritte – nämlich die Daten der Freunde an die namenlosen Entwickler der Apps – erneut einen Damm gebrochen. Denn es hatte zuvor noch der Grundsatz gegolten, daß jeder über seine Daten, sein Gesicht, seinen Aufenthaltsort, seine Assoziierbarkeit mit anderen über seine Facebook-Einstellungen selbst bestimmt. Auch wenn es gelegentlich dumme Zufälle gibt, diese können nicht als Ausrede für die Verstöße gegen elementare Daten-Benimmregeln gelten.
Freunde laden auch nicht die Bilder ihrer »Freunde« in kompromittierenden Situationen ins Internet hoch. Gerade jüngeren Menschen müssen diese Regeln explizit erklärt werden, im Zweifel auch mit entsprechenden sozialen Sanktionen im Freundeskreis. Bewährt haben sich zum Beispiel Absprachen, daß auf Parties ab Mitternacht einfach keine Bilder mehr gemacht werden. Und wer sich nicht daran hält, wird nächstes Mal nicht mehr eingeladen.
Pseudonyme
Ein seit alters bewährtes Mittel zur Bewahrung der eigenen Souveränität und zugleich der Risikominimierung ist die Verwendung von Pseudonymen. Sie sind überall dort geeignet, wo man die Vorteile der Attributierung des eigenen Handelns mit einem anderen Namen wahrnehmen will. Schriftsteller oder Reporter, die über heikle oder gefährliche Stoffe schreiben, nutzen seit Erfindung des Buchdrucks solche Pseudonyme. In vielen Kulturen ist auch die Verwendung von Kampfnamen üblich. Sie sollen die Familie – die ja den gleichen Namen trägt, der oft auf den Herkunftsort verweist – vor der Rache des Gegners oder vor Kidnapping schützen. Der Ruf heldenhafter Taten wird mit einem selbstgewählten Namen verknüpft, der oft auch noch das Selbstbild des Trägers
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