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Die Delegation

Die Delegation

Titel: Die Delegation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Erler
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nun für die nächsten Jahre intensiver Fischgeruch an eine künstlerische Niederlage erinnern. Daneben trank einer Kaffee und las in einer klein zusammengefalteten Zeitung. »Herr Wingard?«
    »Ja …« – Er versuchte aufzustehen, steckte dabei die Zeitung in die Innentasche seines Jacketts.
    So sieht kein Irrer aus, dachte ich mir, kein Scherzbold, kein Spökenkieker, kein Hochstapler. Das Leben besetzt immer gegen den Typ, wie wir sagen. Verbrecher und Pastoren sehen in Wirklichkeit immer ganz anders aus als in unseren Filmen. »Behalten Sie doch Platz, Herr Wingard.« Ich bestellte mir Tee. Wingard war vielleicht Mitte fünfzig, untersetzt, fast kahl. Hinter einer randlosen Brille hatte er lustige Augen. Vielleicht fand er wirklich alles sehr lustig, zum Beispiel, daß ich auf ihn hereingefallen war, daß ich wirklich gekommen bin.
    »Verrückte Geschichte, was? Hier ist meine Karte.« Leinen mit Goldrand. In Postkartengröße.
     
    ROBERT J. WINGARD
    WRECKER SERVICE
    SANTA ANA, CAL.
     
    Sechs Telefonnummern, vier Adressen. »Abschleppdienst, in Kalifornien?«
    »Ja. Und dann noch Gebrauchtwagen, Schrott und so weiter. Ich habe drei Filialen. Übrigens, ich stamme aus Kattowitz. Was sagen Sie zu meiner Story?«
    »Ihre Andeutungen am Telefon gestern abend klangen sehr … naja … seltsam …«
    »Seltsam? – Sie glauben mir nicht? Ich dachte, ein Regisseur hat genügend Phantasie.« Wingard kramte in seiner Brieftasche herum. »Hier, das sind diese Leute!« Er schob mir ein Foto herüber. Amateuraufnahme, sechs mal sechs. Der breite weiße Rand war abgegriffen, die Aufnahme grau und unscharf. Sie war anscheinend aus einem Auto heraus geschossen worden, vom Fahrersitz durch die Windschutzscheibe nach vorn. Neben dem Scheibenwischer klebten Plaketten. Auf einer stand in Spiegelschrift Canada und noch irgendein Zusatz. Darunter das rote Ahornblatt, Kanadas Staatswappen.
    Vor dem Wagen ein Stück Sandstraße, rechts davon felsige Hügel. Vier weiße Gestalten standen oben auf dem Kamm. »Hier, Fortsetzung …«
    Wingard schob zwei weitere Fotos über den Tisch. Gleiches Format, gleicher Aufnahmepunkt. Die vier Gestalten liefen auf das Auto zu, sie steckten in weißen Monturen. Gesichter waren nicht zu erkennen.
    Nächstes Foto: Sie waren herangekommen, näherten sich dem Wagen von der Seite, waren vielleicht noch zehn, zwölf Meter entfernt.
    Letztes Bild: Es wurde unheimlich. Augen starrten mich an. Die Sonne glänzte auf kahlen Schädeln. Drei standen im Hintergrund, aber einer war dicht an das Seitenfenster des Wagens getreten. Sein Mund war halb geöffnet. Der Körper wirkte verschwommen, die Gesichtszüge waren unscharf, entstellt durch die Reflexe der Scheibe. Zerfließende Konturen, ein grobes, verwischtes Raster, körnig, zerfressen. Aber deutlich und scharf ein bohrender, stechender Blick aus tausendjährigen Augen. »Wer hat diese Fotos gemacht? Roczinski?«
    »Nein. Kann man hier reden?« Wingard sah sich um. Die Redakteure am Nebentisch hatten dem Nachwuchsautor eine Atempause gegönnt, einen Augenblick der Besinnung. Taktik. Er blickte hinaus in den Park. Farbloses Grau in Grau. Zwischen kahlen Büschen verflüchtigte sich eine Illusion, eine Idee, der Glaube an das eigene Talent. »Nein, hier kann man nicht reden.«

 
3
 
    Es hatte angefangen zu regnen.
    Der Leihwagen war Mittelklasse, eng und stickig. Wir saßen in unseren Mänteln, Wingard rauchte hektisch, ich schnappte vergeblich nach Luft. Wenn man die Fenster öffnete, lief das Wasser herein und tropfte auf Knie und Schulter. Der Parkplatz vor dem Studio hatte sich geleert. Wir saßen da und schwiegen, und ich starrte immer noch auf diese merkwürdigen Fotos.
    »Waren Sie mit Roczinski befreundet, Herr Wingard?«
    »Nein, er war nur ein Kunde. Und ich habe ihn nur ein einziges Mal gesehen. Zu tun hatte ich allerdings zweimal mit ihm. Das erste Mal hat er einen Wagen bei mir gekauft. Neunundsechziger Chevi-Bel-Air, zweifarbig, sehr gut erhalten. Er zahlte mit Kreditkarte. Mach ich ungern, wegen der Prozente. Aber er war wohl nicht mehr flüssig, Sie verstehen. Er meinte, die zehn Prozent, die sollte ich einfach drauf schlagen. Das hätte mich warnen sollen. Also gut, wir machten es rund: zwölfhundert Dollar.
    Das zweite Mal, das war so zwei, drei Wochen später. Da wußte ich bereits, daß seine Kreditkarte ein fauler Apfel war, wie wir sagen. Gesperrt. Nichts mehr wert. Aber da war Roczinski schon tot, und was von ihm noch übrig war, das

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