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Die Dornen der Rose (German Edition)

Die Dornen der Rose (German Edition)

Titel: Die Dornen der Rose (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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Silhouette abzeichnete, und beobachtete den Hof. Geistergleich glitten die Atemzüge in ihren Körper und wieder hinaus. Ihr Gesicht war von ihm abgewandt. Sie trug die ländliche Kleidung einer höheren Dienerin oder einer Bauersfrau. Dunkelblauer Rock, weiße Schürze. Um ihre Schultern lag ein schlichtes Leinentuch. An den Füßen trug sie Holzschuhe. Das Haar war aus dem Gesicht genommen und zu einem dicken Zopf geflochten, der ihr bis tief über den Rücken hing und am Ende von einem Stück leuchtend rotem Stoff zusammengehalten wurde. Die Arme waren eng vor der Brust gekreuzt, einer über dem anderen, und gaben ihr Wärme und Schutz.
    Die Flecken an ihrem Rock und die Kratzer auf ihren Armen wiesen darauf hin, dass sie sich in den Wäldern versteckt und kein Dach über dem Kopf gehabt hatte. Vermutlich handelte es sich um ein Mitglied des Haushalts – eine Zofe oder Näherin oder die Frau des Kammerdieners.
    Das Stallfenster, das sie sich ausgesucht hatte, bot einen weiten, ungehinderten Blick auf das Château und die Allee zwischen Remise und rückwärtiger Straße. Ob nun rein zufällig oder absichtlich, aber sie hatte einen erstklassigen Aussichtsposten gewählt.
    Während er darüber nachdachte, glitt ihre Hand in den Nacken. Sie spürte wohl, dass man sie beobachtete – eine Gabe, die nicht besonders oft anzutreffen war.
    Dann drehte sie sich um. Und sah ihn. Der Augenblick dehnte sich.
    Er hatte sich zwischen ihr und der Hintertür postiert, und sie hatte nicht daran gedacht, sich zwei Rückzugslinien offen zu halten: eine, die der Feind blockieren konnte, und eine, um die Beine in die Hand zu nehmen.
    Rock und Schürze wirbelten herum. Wie ein Blitz schoss sie davon und rannte mit wehendem Zopf die Stallgasse hinunter. Auf halbem Wege zur Tür holte er sie ein, schlang seine Arme um sie und hielt sie fest.
    Sie wehrte sich und versuchte, ihm ihre Nägel ins Gesicht zu krallen. Als er ihre Handgelenke packte, wand sie sich wie ein Aal und vergrub die Zähne tief in der Hand, die sie festhielt.
    Autsch, das tat weh . »Ich habe nicht die Absicht …« Ein Schuh traf sein Schienbein. »Himmel … noch mal. Werden Sie wohl damit aufhören? Ich habe nicht vor, Ihnen etwas zu tun.« Er musste nachfassen, sodass sie eine Hand freibekam und ein Messer ziehen konnte.
    Jetzt reicht’s . Mit einem Tritt brachte er sie ins Straucheln. Das Messer flog in die Luft. Dann warf er sie rücklings in einen Strohhaufen.
    Damit war die Sache im Grunde genommen erledigt, außer dass sie sich noch ein Weilchen wehrte.
    Sie war leicht für ihre Größe, in Panik und hatte keine Ahnung vom Kämpfen. Mit einem Mann ihrer Statur hätte er kurzen Prozess gemacht. Das Mädchen hatte nicht die geringste Chance. Sie rammte ihm ihr Knie in den Bauch und verfehlte seine empfindlichsten Teile viel knapper, als ihm lieb war. Offenbar ein reiner Glückstreffer. Keiner der Männer in ihrem Leben hatte ihr beigebracht, wie man ein männliches Wesen so treffen konnte, dass es saß. Was wirklich schade war, da sie bei ihren Anstrengungen, ihm wehzutun, mit sehr viel Enthusiasmus vorging.
    Er trug ihr nicht nach, dass sie es versuchte. Schließlich hätte er genauso gehandelt. Er legte sich auf sie, sodass sie nichts mehr ausrichten konnte. »Wild um sich zu beißen wird Ihnen nicht besonders viel bringen, und es geht mir gewaltig auf die Nerven.«
    Das Ende kam abrupt. Auf einmal kapitulierte sie. Sie blickte ihn von unten an. Innig wie ein Liebespaar lagen sie aufeinander. Doch dies hatte nichts mit einem Liebesakt zu tun – nicht im Entferntesten.
    Ich erschrecke sie zu Tode .
    Dann erhaschte sie einen Blick auf die Narbe auf seiner Wange, und ihr stockte der Atem.
    Die Narbe war nicht echt, sondern ein regelrechtes Kunstwerk. Eine fünfzehn Zentimeter lange Groteske, von der Augenbraue bis zum Kinn. Das auffälligste Merkmal in seinem Gesicht. Der Narbe hatte er sein recht verdorbenes Aussehen zu verdanken.
    »Mein Gesicht war schon immer eine große Prüfung. Ich bin froh, dass ich es nicht anschauen muss.« Er blieb, wo er war, und machte keine Anstalten, sie von der Last seines schweren Körpers zu befreien.
    Ihre Augen hatten die Farbe von frisch aus der Kanne fließendem Kaffee – satt braun, durchscheinend. Unter dem Sonnenbrand war ihre Haut blass, außerdem zerkratzt und schmutzig. Ihre angstvoll angespannten Muskeln bebten in seinen unnachgiebigen Händen.
    »Lassen Sie mich los.« Ihre Kehle schnürte sich immer wieder

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