Die Drachenreiter von Pern 04 - Drachensinger
mich denn einfinden sollen?« fragte sie, aber er winkte sie die Treppe hinunter.
»Du hast keine Nachricht erhalten?« Seine Augen musterten sie aufmerksam, aber seine Miene verriet nichts von seinen Gedanken.
»Nein.«
»Aber du warst doch zum Frühstück in Duncas Pension?«
»Gewiß …«
Menolly konnte ihre Abscheu nicht ganz unterdrücken. Dann, als ihr die Wahrheit dämmerte, hielt sie den Atem an und sagte leise: »Sie wird doch nicht …«
Sebell nickte. In seinen braunen Augen las sie, daß er die Lage durchschaute. »Und du konntest noch nicht wissen, daß du im Zweifelsfall zu mir kommen …«
»Zu dir?« Hatte Piemur nicht erwähnt, daß Sebell erst vor kurzem den Tisch gewechselt, also Geselle geworden war? »Äh – zu Ihnen, Sir?«
Ein Lächeln stahl sich über die Züge des Mannes.
»Der Meisterharfner nimmt es mit der Etikette nicht so genau wie die anderen Meister hier. Die Tradition verlangt, daß der Geselle, der am längsten unter dem gleichen Meister gearbeitet hat, sich um seinen jeweils jüngsten Lehrling zu kümmern hat. Also trage ich die Verantwortung für dich. Zumindest, solange ich in der Harfnerhalle weile und mich von meiner Wanderschaft erhole. Ich hatte keine Gelegenheit, dich gestern kennenzulernen. Heute morgen wartete Meister Domick vergeblich auf dich …«
»Ach, du Schreck!« Menolly schluckte.
»Ausgerechnet!«
Selbst Piemur achtete darauf, Meister Domick nicht zu verärgern. »War er – sehr ungehalten?«
»Nun ja, in gewisser Weise schon. Aber mach dir deshalb keine Sorgen, Menolly, ich werde die Sache klarstellen und versuchen, sie zu deinem Vorteil zu nutzen. Meister Domick wollen wir uns nicht zum Feind machen.«
»Besonders, wo er mich ohnehin nicht leiden kann.«
Menolly schloß die Augen und stellte sich Meister Domicks spöttische Züge vor.
»Woraus schließt du denn das?«
Menolly zuckte die Achseln. »Ich mußte ihm gestern vorspielen. Ich habe genau gespürt, daß er mich nicht mag.«
»Meister Domick mag auch die anderen nicht«, entgegnete Sebell mit einem trockenen Lachen. »Und sich selbst am allerwenigsten. Du bist also keine Ausnahme. Aber was den Unterricht bei ihm angeht …«
»Ich soll bei ihm Unterricht haben?«
»Nur keine Panik! Als Lehrmeister ist er absolute Spitzenklasse. Das weiß ich. Auf manchen Gebieten überflügelt er sogar den Meisterharfner, auch wenn er nicht Robintons Schwung und Kraft besitzt oder die gute Beobachtungsgabe, was die Ereignisse außerhalb der Gildehalle betrifft.«
Obwohl Sebell ruhig und unpersönlich sprach, spürte Menolly seine unbedingte Loyalität und Ergebenheit gegenüber dem Meisterharfner. »Du« , und er betonte das Wort leicht, »kannst eine Menge von Domick lernen. Laß dich nicht von seiner ruppigen Art verwirren! Er hat sich einverstanden erklärt, dich auszubilden, und das ist eine große Ehre.«
»Aber ich habe ihn heute morgen versetzt …« Jetzt erst kam Menolly die Schwere ihres Vergehens voll zu Bewußtsein.
Sebell lächelte beruhigend. »Wie schon gesagt, ich werde das zu deinem Vorteil ausnutzen. Domick kann es absolut nicht leiden, wenn jemand seine Anweisungen mißachtet. Du trägst keine Schuld an dem Vorfall. Aber komm jetzt! Wir haben schon zuviel von diesem Vormittag vertrödelt.«
Er hatte sie während des Sprechens die Treppe hinauf geführt und öffnete nun zu ihrem Erstaunen das Portal zum Großen Saal. Er war doppelt so groß wie der Speisesaal und mindestens dreimal so groß wie der entsprechende Raum in der Halbkreis-Bucht. An der Stirnseite erhob sich ein mit Vorhängen abgeteiltes Podium. Stühle und Tische waren entlang der Seitenwände und unter den Fenstern gestapelt. Unmittelbar zu ihrer Rechten entdeckte Menolly eine bequeme Sesselgruppe, angeordnet um einen niedrigen, runden Tisch. Hierhin deutete Sebell, und sie nahmen beide Platz.
»Ich habe einige Fragen an dich, kann dir aber nicht näher erklären, weshalb ich sie stelle. Das ist ein Harfner-Geheimnis – und wenn du dieses Wort hörst, tust du besser daran, nicht nachzuhaken. Jedenfalls brauche ich deine Hilfe …«
»Meine Hilfe?«
»So seltsam dir das erscheinen mag – ja.« Seine braunen Augen lachten sie an. »Ich muß wissen, wie man ein Segelboot bedient, wie man Fische ausnimmt, überhaupt, alle Dinge eben, die mit der Seefahrt zu tun haben …«
Er zählte die einzelnen Punkte an den Fingern ab, und sie starrte wie gebannt auf seine Hände.
»Wenn einer deine Hände sieht, weiß er
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