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Lockruf Der Leidenschaft

Lockruf Der Leidenschaft

Titel: Lockruf Der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
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    1.
    N icholas Lord Kincaid war in reichlich verdrießlicher Stimmung - und seine derzeitige Umgebung war auch nicht unbedingt dazu angetan, sie zu bessern. Die Taverne »Zum Hund« lag in einer engen, stinkenden Gasse abseits der Botolph Lane, und die Kundschaft schien ausschließlich aus Ruderern, Skullern und Fährleuten zu bestehen, die Mehrzahl davon noch dazu recht unflätig und stark betrunken.
    Es war ein Mittwochabend Ende Dezember im Jahre des Herrn 1664, und jenseits der Eingangstür wogte der dichte winterliche Nebel durch die Straßen Londons. Er lag wie ein Miasma über der Themse, die ein paar Schritte südlich der Botolph Lane träge dahinfloss. Kincaid konnte es den Fährleuten nicht verübeln, dass sie an einem solchen Abend ihre Arbeit vernachlässigten; die Zahl der Fahrgäste, die bei diesem Wetter zum anderen Flussufer übergesetzt werden wollten, konnte man höchstwahrscheinlich an einer Hand abzählen, und selbst der erfahrenste Fährmann hätte Angst davor, sich in der undurchdringlichen Düsterkeit zu verirren. Vermutlich hatte auch genau jener erbensuppendicke Nebel De Winter daran gehindert, sich an diesem sicheren, wenn auch unwirtlichen Treffpunkt einzufinden.
    Das Meerkohlefeuer im Kamin ließ einen schmierigen, giftigen Rauch aufsteigen, und Nicholas hustete angewidert. Dieser Rauch, der in ganz London aus den Schornsteinen aufstieg, verband sich mit dem Nebel zu schweren grauen Schwaden, die wie ein Leichentuch über der Stadt lagen; doch wenn Holzknappheit herrschte und ein warmes Feuer unumgänglich war, verbrannte die Stadtbevölkerung alles, was verfügbar und erschwinglich war. Der beißende Rauch löste sich langsam wieder auf, während sich die tränenden Augen Seiner Lordschaft in ungläubigem Erstaunen weiteten. Ein Traumgeschöpf hatte sich in dem schummrigen, schmutzigen Schankraum materialisiert. Verwirrt blickte Nicholas in seinen Humpen mit Glühwein. Zugegeben, er hatte reichlich genug getrunken in seinem Bemühen, sowohl die Kälte als auch die Niedergeschlagenheit zu vertreiben, aber bestimmt nicht so viel, dass er aus dieser dünnen, rauchgeschwängerten Luft nun schon Phantomgestalten erschuf. Er schaute wieder auf. Die auf den ersten Blick so gespenstisch anmutende Erscheinung besaß eine ausgesprochen greifbare Form. Sie bewegte sich auf ihn zu, während sie mühelos ein voll beladenes Tablett über die Köpfe der Menschenmenge hinwegbalancierte. Haar wie Honig, dachte er bewundernd - schwerer, gehaltvoller, goldbrauner Honig, der über makellose Schultern sickerte und sich über die elfenbeinweißen Rundungen ihrer Brüste ergoss, die sich - von keinerlei Mieder eingeengt - aus dem schäbigen Spitzenbesatz am Ausschnitt ihres Kleides wölbten. Es waren ausnehmend hübsche, wohlgeformte Brüste, deren Schönheit nicht im Geringsten durch das grellbunte, geschmacklose Kleid geschmälert wurde, das sie trug - eine Tracht, die be wusst darauf angelegt war, jedermann ihre vielfältigen körperlichen Reize vor Augen zu führen. Ein schmuddeliger Unterrock lugte unter dem Saum ihres scharlachroten Rockes hervor, der ein Stück hochgerafft war, um die reizvolle Kurve von Knie und Wade zu enthüllen und eine Andeutung von Schenkel erkennen zu lassen. Die derben Holzpantinen vermochten nicht die Schlankheit ihrer Fesseln und die Zierlichkeit ihrer Füße zu verbergen.
    Fasziniert ließ Nicholas seinen Blick wieder aufwärts wandern, um die elegante Linie ihres Halses und die Rundung ihres erhobenen Armes zu betrachten, ehe er wie gebannt an ihren Zügen hängen blieb. Ihr Gesicht war ein perfektes Oval, ihre Haut elfenbeinweiß, die Wangen von einem rosigen Schimmer überhaucht, die Stirn glatt und hoch, die Nase schmal, die Brauen schwungvoll gezeichnet über leuchtenden haselnussbraunen Augen, deren leichte Schrägstellung zu den geschwungenen Winkeln ihres herrlichen Mundes passte. Es war ein äußerst verführerischer Mund mit vollen roten Lippen, die auf eine so ausgeprägte Sinnlichkeit hoffen ließen, dass Nicholas beim bloßen Gedanken daran ein Schauer der Erregung über den Rücken rieselte.
    Teufel auch! Was hatte ein solches Juwel in dieser stinkenden Bruchbude unter Rüpeln, Saufbolden und Flussratten zu schaffen? Nicholas öffnete gerade den Mund, um diesen Gedanken laut auszusprechen, da lächelte das Traumgeschöpf - ein einladendes Lächeln, das ihm für einen Moment förmlich den Atem raubte. Ihr Arm streifte seinen Ärmel, als sie an

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