Die Drachenreiter von Pern 04 - Drachensinger
Musik machte. Petiron hatte hin und wieder von Lehrlingen gesprochen und auch aus seinen Tagen als Geselle erzählt. Aber das alles war verschwommen geblieben. Sie hatte sich die Harfnerhalle als eine Art Zauberschloß vorgestellt, wo die Leute sangen statt redeten oder ernst die alten Balladen kopierten. Die Wirklichkeit war ernüchternd, besonders, wenn sie Dunca und die neidischen Mädchen um Pona in Betracht zog. Warum hatte sie geglaubt, alle Harfner und Angehörigen der Harfnerhalle seien über niedere Gefühle erhaben? Warum hatte sie Morshal und Domick mit mehr Menschlichkeit verbrämt, als sie besaßen? Sie wußte es nicht. Sie lächelte über ihre eigene Naivität.
Und doch, Harfner wie Robinton und Sebell, ja selbst der zynische Domick, standen hoch über dem Durchschnitt. Und Silvina und Piemur hatten sie immer nett behandelt. Sie lebte hier besser als in der Halbkreis-Bucht. Warum sollte sie also nicht auch mit den negativen Seiten zurechtkommen?
Es war gut, daß sie zu diesem Entschluß gelangte, denn kaum hatte sie die Pension erreicht, da stürzte sich Dunca mit einer ganzen Litanei von Beschwerden auf sie: die gefährlichen, unruhigen Feuerechsen, die jegliche Ordnung im Hause störten und die Bewohnerinnen in Angst und Schrecken versetzten; ihre Hochnäsigkeit gegenüber den anderen Mädchen, die schließlich schon viel länger hier lebten und im Gegensatz zu ihr genau wußten, was sich gehörte; ihre Arroganz, nur weil ihr Vater See-Baron sei, und so weiter und so fort.
Nach den ersten paar Sätzen erkannte Menolly, daß es keinen Sinn hatte, sich oder ihre Echsen bei Dunca zu verteidigen. Sie konnte höchstens ein »Ja« oder »Nein« einwerfen, wenn die dicke Pensionswirtin kurz Luft holte. Einen Moment lang dachte Menolly daran, ihren Echsen-Schwarm zu Hilfe zu holen, doch das hätte das Klima ein für allemal vergiftet. So stand sie ruhig da und ließ den Wortschwall über sich ergehen.
»So – habe ich mich klar genug ausgedrückt?« fragte Dunca schnaufend.
»Und ob!« entgegnete Menolly ruhig und eilte die Treppe hinauf, so rasch sie ihre wunden Füße trugen. Dunca brachte im ersten Moment keinen Ton über diese neue Frechheit heraus. Erst als die Tür hinter Menolly ins Schloß fiel, begann sie von neuem zu zetern.
Der Tränen heiße Flut
Verdränge ich bis morgen;
Heut brauch ich Kraft und Mut,
Zu wehren all den Sorgen.
Mein Blick muß hell und klar sein,
Weit soll die Stimme schallen.
Mein Wort muß echt und wahr sein,
Ein Trost den andern allen.
Verratet, Lippen, nicht den Schmerz,
Den Kummer, der mir zerreißt das Herz.
Menollys »Lied für Petiron«
6
Prinzessin weckte sie bei Sonnenaufgang. Auch die anderen Echsen rührten sich bereits. In der Pension dagegen war noch alles still.
Am Abend zuvor hatte Menolly die Tür zu ihrem Zimmer verriegelt und dann die Fensterläden aufgestoßen, um ihre Freunde hereinzulassen. Sie war wieder ruhiger geworden, nachdem sie die Kleinen mit Meister Oldives Öl eingerieben hatte. Sie nahm sich die Zeit, sie zu streicheln und mit ihnen zu spielen. Dabei fing sie mancherlei Eindrücke und Bilder auf. Allem Anschein nach planschten die Echsen mit Vorliebe in den Seen oberhalb der Burg Fort. Menolly »sah« aber auch große Drachen und einen Weyr, der keine Ähnlichkeit mit Benden hatte.
Die Gedanken, die Prinzessin ihr übermittelte, waren wie immer am schärfsten. Menolly hatte den stillen Abend genossen; er bot einen gewissen Ausgleich für Duncas Ungerechtigkeiten.
Nun, da die Morgenstille sie umgab, fiel ihr ein, daß sie endlich auch etwas für sich selbst tun könnte. Sie beschloß, ein Bad zu nehmen und die Obstflecken aus ihrer Bluse zu waschen. Für heute mittag war zwar Fädeneinfall vorausgesagt, aber auf dem Fensterbrett müßte das Zeug in der Morgensonne eigentlich rasch trocknen.
Leise entriegelte sie die Tür und horchte in den Korridor hinaus. Sie hörte nichts außer einem schwachen Schnarchen. Sicher Dunca. Nachdem sie ihre Echsen ermahnt hatte, sich ganz still zu verhalten, huschte sie die Stufen hinunter ins Bad, das im hintersten Winkel des Erdgeschosses lag. Sie hatte schon von den Warmbecken in den großen Burgen und Weyrn gehört, aber das hier war ihre erste tatsächliche Begegnung mit einer solchen Einrichtung. Die Feuerechsen drängten hinter ihr in den Raum, und sie hatte Mühe, das aufgeregte Gezirpe zu dämpfen, als sie den hüfttiefen Badeteich mit dem warmen Wasser entdeckten. Menolly legte sich
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