Die Drachenreiter von Pern 05 - Der weiße Drache
zum Beispiel war genauso merkwürdig verlaufen wie Ruths Ausschlüpfen – er aus dem Leib einer Toten geholt Ruth aus einer Eischale, die zu hart zum Durchbrechen war. Und Ruth lebte nicht im Weyr, obwohl er ein Drache war; ihm selbst gehörte Ruatha, aber keiner bestätigte seinen Rang als Baron.
Nun, vielleicht konnten sie sich beide noch beweisen!
Laß dich nicht dabei erwischen, daß du Ruth Feuerstein zu fressen gibst! hatte N’ton gesagt.
Also gut, das sollte sein erstes Ziel sein.
IV. Ruatha, Fidellos Hof und verschiedene Orte dazwischen,
10. 5.15 -16. 5.15
Im Laufe der nächsten Tage erkannte Jaxom, daß zwischen dem Entschluß, Ruth mit Feuerstein zu füttern, und der Durchführung dieses Plans Abgründe klafften. Es war unmöglich, auch nur eine freie Stunde herauszuschinden. Jaxom hegte flüchtig den häßlichen Gedanken, daß N’ton seinem Vormund einen Tip gegeben hatte und Lytol ganz bewußt seinen Tag mit allen möglichen Aktivitäten füllte, doch er verwarf diesen Verdacht genauso schnell.
N’ton war weder hinterlistig noch unehrlich. Bei nüchterner Betrachtung mußte Jaxom zugeben, daß sein Tageslauf ihm auch vorher selten eine Verschnaufpause gegönnt hatte: Erst galt es, Ruth zu versorgen, dann kamen der Unterricht und Pflichten auf der Burg und, während der letzten Planetenumläufe, Zusammenkünfte bei anderen Burgherren, die er nach Lytols Ansicht besuchen mußte – als stiller Beobachter – um sein Wissen als künftiger Baron zu erweitern.
Jaxom hatte den Umfang seiner Verpflichtungen einfach unterschätzt – bis zu dem Moment, da er verzweifelt Zeit für sich selbst brauchte, die er nicht eigens erklären oder im voraus einplanen konnte.
Das zweite Problem, mit dem er sich nicht gründlich genug auseinandergesetzt hatte, war die Tatsache, daß, wo immer er mit Ruth auftauchte, garantiert auch eine Feuer-Echse erschien. Menolly hatte recht, wenn sie die Kleinen Klatschtanten nannte, und er war alles andere als scharf darauf, sich von ihnen bei seinem verbotenen Tun über die Schulter schauen zu lassen. Er wagte einen ersten Versuch und lenkte Ruth zu dem Berghang im Hochland, der ihnen als Übungsgelände für ihre ersten Sprünge ins Dazwischen gedient hatte. Die Gegend war kahl und menschenleer, und auf dem Grat lag noch die harte Schneedecke des Winters. Jaxom hatte Ruth die Koordinaten übermittelt, als sie sich in der Luft befanden, in einem Moment, da ihn gerade keine Echsen umschwirrten. Er hatte nicht mehr als zweiundzwanzig Atemzüge gezählt, ehe Deelans Grüne und die Blaue des Gesindeverwalters über Ruths Kopf auftauchten. Sie zeterten erstaunt und begannen sich dann über die entlegene Landestelle zu entrüsten.
Darauf versuchte es Jaxom mit zwei weiteren Plätzen, die ebenso einsam lagen, in der Ebene von Keroon und auf einer unbewohnten Insel vor der Küste Tilleks. Die kleinen Biester verfolgten ihn auch dorthin.
Anfangs schäumte er vor Wut über diese hautnahe Bewachung und beschloß, Lytol scharf die Meinung zu sagen. Die Vernunft siegte jedoch. Er konnte sich kaum vorstellen, daß sein Vormund den Verwalter oder Deelan beauftragt hatte, ihre Feuer-Echsen auf seine Spur zu hetzen. Übereifer – das war es wohl eher. Wenn er aber Deelan offen zur Rede stellte, würde sie losflennen, die Hände ringen und sofort zu Lytol laufen. Bei Brand dagegen, dem Verwalter des Hauswesens, sah die Sache anders aus. Man hatte ihn vor zwei Planetenumläufen von Burg Telgar geholt, als sich der damalige Verwalter unfähig zeigte, mit den übermütigen Pfleglingen fertig zu werden. Jaxom dachte nach. Brand hatte sicher Verständnis für die Probleme eines jungen Mannes.
Als daher Jaxom nach Ruatha zurückkehrte, suchte er Brand Sofort in seinem Büro auf. Der Verwalter hielt gerade einigen Mägden vor, daß er Tunnelschlangen in den Vorratskammern entdeckt habe. Bei Jaxoms Eintreten entließ er die Frauen mit der finsteren Drohung, er würde ihnen ein paar Tage die Kost kürzen, wenn nicht jede von ihnen mindestens zwei Schlangen fing.
Der Jungbaron war erstaunt. Nicht daß es Brand je an Höflichkeit ihm gegenüber hatte fehlen lassen, aber eine so prompte Aufmerksamkeit überraschte ihn doch, und er mußte sich erst wieder fangen, ehe er zu sprechen begann. Brand wartete mit der gleichen Ehrerbietung, die er Lytol oder hochstehenden Besuchern zollte. Ein wenig verlegen entsann sich Jaxom seines Ausbruchs vor einigen Tagen und überlegte, ob da ein Zusammenhang bestand.
Weitere Kostenlose Bücher