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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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PROLOG
     
     
     
     
     
     
     
    »Kommen Sie bitte weiter, meine Herrschaften. Nicht zurückbleiben.« Der hagere Mann um die vierzig mit Namen Achmed sah vorwurfsvoll zu den Touristen, die noch immer staunend vor den Malereien im absteigenden zweiten Korridor zur Vorkammer verweilten. Dann wandte er sich wieder jenen zu, die ihm seit zwei Stunden treu und ergeben wie eine Herde Schafe gefolgt waren.
    »Wir befinden uns hier im Grab der Dame Meritusir. Sie lebte in der 20. Dynastie zur Regierungszeit von Ramses VII., also zirka 1137 – 1129 v.Chr., und gibt den Wissenschaftlern einige Rätsel auf. Wie wir den Texten an den Wänden dieses wunderschönen Grabes entnehmen können, war sie eine für ihre Zeit ziemlich ungewöhnliche Frau. Sie hat keine Vorvergangenheit, was sicher nicht ungewöhnlich ist, vollbringt jedoch, wenn man den Texten glauben kann, Großes und verschwindet dann mit einem Mal im Nichts.«
    Befriedigt stellte Achmed fest, dass ihm seine Zuhörer gebannt lauschten. Inzwischen hatten auch die letzten Nachzügler zu ihm aufgeschlossen.
    »Doch kommen wir erst einmal zu dieser Grabanlage selbst. Wie Sie bereits bemerkt haben werden, ist dieses Grab mit keinem anderen zu vergleichen, das wir bisher gesehen haben und auch noch sehen werden. Seine Wandmalereien sind so vorzüglich, dass man es höchstens mit dem von Nefertari, der Lieblingsfrau von Ramses II., vergleichen kann. Natürlich wurde es bereits in der Antike vollständig geplündert. Als man es fand, war es jedoch weder verwüstet noch mit Schuttresten gefüllt. Sehen Sie sich nur diese Wandmalereien an. Sind sie nicht wunderschön und dazu noch so gut erhalten?« Er wies mit einer ausholenden Geste auf die Dekorationen.
    Zustimmendes Gemurmel ertönte, und die Touristen verrenkten sich die Hälse.
    Dann folgte eine lange Aufzählung aller abgebildeten Götter und Göttinnen sowie eine kurze Erläuterung der dargestellten Szenen und niedergeschriebenen Texte aus dem
Buch über das Herausgehen am Tage
, das auch allgemein als das ägyptische Totenbuch bekannt ist.
    »Und hier sehen Sie, wie die Verstorbene dem Gott Osiris und dessen Gemahlin Isis ein Trankopfer darbringt. Dass dieses ...«
    »Und was ist mit diesem ausgebröselten Fleck da?«, platzte ein ungefähr vierzehnjähriger Junge dazwischen. »Da muss doch noch jemand abgebildet gewesen sein, und da drüben ...«, seine Hand wies in Richtung der Wand, die der Grabkammer gegenüberlag, »... da fehlt ebenfalls ein Stück, und da und da ...« Er zeigte auf weitere ausgebrochene Stellen in der Grabdekoration.
    Unbeirrt fort Achmed fort: »Dass dieses Götterpaar in diesem Grab sehr verstärkt auftritt, ist sicherlich dem Umstand zu verdanken, dass die Dame Meritusir keine gewöhnliche Frau war. In einer der Inschriften heißt es:
Ich war Vorsteher der königlichen Bauarbeiten für den König von Ober- und Unterägypten Usermaatre Setepenre Ramses Netjer Heqaiunu. -
Das ist der Thronname von Ramses VII.«, fügte er erklärend hinzu. »
Ich war seine ergebene Dienerin und schuf für ihn alles nach seinem Willen und dem Willen der Götter. Seine Majestät ließ durch mich seinen Tempel der Millionen Jahre errichten zum Ruhme der Götter und zu seinem eigenen. Ich war es, die ihm sein Haus des Westens errichtete nach den Anweisungen Seiner Majestät und dem göttlichen Befehl des Großen Gottes Osiris. Nicht fand man Tadelnswertes an mir in Bezug auf irgendwas, das ich getan hatte. Er machte mich zur Zweiten Dienerin des Großen Gottes Osiris. Man fand meinen Namen wegen der Größe meiner Tüchtigkeit, und ich stand zur Linken Seiner Majestät.
«
    Gespannte Stille herrschte in der Vorkammer, nur ab und an von einem leisen
Ach
und
Oh
durchdrungen, während Achmed sprach. Als er geendet hatte, war es noch eine ganze Weile ruhig, bis der Erste sich gefasst hatte.
    »Ist man sich denn sicher, dass das Grab tatsächlich dieser Frau und nicht vielleicht einem Mann, sogar ihrem eigenen Mann gehört?«
    »Ja, ein Versehen ist unmöglich. Wenn man von der Bezeichnung
Vorsteher
absieht, sind alle Begriffe weiblich.«
    »Das muss ein Versehen sein!«, meldete sich eine jüngere Touristin zu Wort. »Erstens ist mir nicht bekannt, dass sich Ramses VII. einen Tempel der Millionen Jahre errichten ließ, und seit wann haben Frauen im alten Ägypten Gräber gebaut?«
    »Es stimmt, was Sie sagen«, bestätigte Achmed, »aber wenn dieses Grab keine Fälschung ist ...«
    »Dann ist das vielleicht

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