Die Drachenreiter von Pern 08 - Nerilkas Abenteuer
es, auch wenn Suriana es nicht in Worte gekleidet hatte. Aber der Gedanke an die verstorbene Freundin und an Alessans fühlbare Trauer um Moreta trieb mir Tränen in die Augen.
»Sie sind ein guter, tapferer Mensch. Ich möchte nicht, daß Sie unter dem Druck der Umstände eine Entscheidung treffen, die Sie eines Tages bereuen.«
»Ich scheine das Unheil anzuziehen.« Seine Miene war verschlossen, und seine Stimme klang kalt. »Ich brauche kein Mitleid, Nerilka. Es nützt mir nichts mehr. Wirst du mir statt dessen ein Kind geben, damit das Geschlecht der Ruatha nicht ausstirbt? Und den Becher?«
Ich verstehe heute noch nicht, weshalb ich beide Bedingungen dieses absurden Handels akzeptierte, aber ich war damals wohl fest davon überzeugt, daß Alessan zur Vernunft kommen würde, wenn erst der schlimmste Schmerz überwunden war.
»Dann gehen wir an die Erfüllung des Vertrags.« Er zog mich mit harter Hand an sich, und ich riß mich mit einer Geste des Entsetzens los.
»Nein! Ich denke nicht daran, Anella zu imitieren!«
Alessan schaute mich wütend und verständnislos an.
»Tolocamp holte sich Anella ins Bett, noch ehe die Trommelbotschaft vom Tod meiner Mutter verhallt war.«
»Bei uns liegen die Dinge doch völlig anders, Nerilka!« Seine Augen brannten, und sein starrer Gesichtsausdruck erschreckte mich.
»Sie haben Moreta geliebt!«
Seine Wangenmuskeln begannen zu zucken. In seinen Augen glitzerte etwas wie Haß.
»Ist es das, was dich zurückhält? Jungfräuliche Scham wäre mir lieber gewesen. Rill, du hast dein Versprechen gegeben, und du bist es der Ehre von Fort schuldig, dieses Versprechen zu halten!«
Er verhöhnte mich. Der Druck auf meinem Handgelenk verstärkte sich. Ich versuchte mein Zögern in Worte zu kleiden, versuchte ihm klarzumachen, daß neues Leben nicht aus Bitterkeit und Haß entstehen sollte. In diesem Moment klangen draußen Schritte auf.
»Du bekommst einen kurzen Aufschub, Nerilka!« flüsterte er mir zu. »Aber denk daran - wir haben einen Vertrag geschlossen, und wir werden ihn erfüllen. Ich sehne mich nach diesem Becher!«
Tuero trat ein. Als er sah, daß Alessan wach war und mit mir sprach, zeichnete sich auf seinen Zügen Erleichterung ab. »Brauchen Sie etwas, Alessan?« erkundigte er sich.
»Meine Kleider.« Alessan streckte die Hand aus. Ich holte frische Sachen aus dem Schrank, und Tuero reichte ihm seine Stiefel. Er kleidete sich rasch an und verließ mit uns den Raum.
Mehr noch als sein Erscheinen löste sein Verhalten bei den Anwesenden im Großen Saal Befremden aus. Er schickte nach Deefer, ließ Dag holen und wollte wissen, wo sich Oklina befand. Als seine Schwester zusammen mit Desdra den Saal betrat, erkundigte er sich mit keiner Silbe, weshalb die Heilerin ihre Abreise verschoben hatte. Aber er wich zurück, als Oklina ihn umarmen wollte, und forderte Tuero und mich scharf auf, mit den anderen in sein Büro zu kommen. Dort erläuterte er mit beherrschter, tonloser Stimme, wie er sich den Wiederaufbau von Ruatha vorstellte, und er bat uns, unverzüglich alles Notwendige in die Wege zu leiten.
Alle waren erleichtert, daß er sich so vehement in die Arbeit stürzte. Außer mir schien niemand zu bemerken, daß er Ruathas Angelegenheiten ordnete, um für immer Abschied zu nehmen. Er packte mit an, wo es nötig war, und saß abends stundenlang mit Tuero zusammen, um Verwaltungsdinge zu erledigen. Trommelbotschaften wurden ausgesandt, und berittene Boten beförderten versiegelte Briefe. Einige der Nachrichten bekam ich mit. Alessan suchte nach Zuchtstuten für seine Hengste und forderte besitzlose Familien mit gutem Leumund auf, sich bei ihm als Pächter zu melden. Er schickte Leute zu Fuß und zu Pferde aus, um einen Überblick zu gewinnen, wie viele verlassene Höfe es gab, welche Herden überlebt hatten und welche Äcker bereits bestellt waren.
Die Betriebsamkeit wurde überschattet von Alessans düsterem Ernst. Als wir das Serum herstellten, hatten wir härter geschuftet, aber damals hatte Freude und Hoffnung unsere Arbeit beflügelt. Nun schien Alessan uns alle mit seiner Kälte angesteckt zu haben. Nicht einmal die Tatsache, daß die Spuren der Seuche nach und nach verschwanden und Ruatha in neuem Glanz erstrahlte, vermochte Begeisterung in uns zu wecken. Oklina pflanzte Frühlingsblumen rund um die Burg, in der Hoffnung, uns ein wenig aufzuheitern, aber viele davon verwelkten, als könnten auch sie in der frostigen Atmosphäre nicht überleben. Ich
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