Die Drachenreiter von Pern 08 - Nerilkas Abenteuer
machte mir ständig Vorwürfe, daß ich die Schuld an Alessans schrecklicher Veränderung trug, weil ich nicht mit allen Mitteln versucht hatte, ihn von seinen Selbstmordplänen abzubringen.
Zehn Tage nach Moretas Tod saßen wir gerade schweigend beim Abendessen, als Alessan sich feierlich erhob und ein zusammengerolltes Pergament aus seinem Gürtel zog.
»Baron Tolocamp hat hiermit seine Zustimmung erteilt, daß ich seine Tochter Lady Nerilka zur Gemahlin nehme«, verkündete er in seiner schroffen, unbewegten Art.
Sehr viel später entdeckte ich im hintersten Winkel einer Truhe das Schreiben, das mein Vater an Baron Alessan abgeschickt hatte. Es lautete: »Wenn Sie auf Ruatha weilt - bitte, machen Sie mit ihr, was Sie wollen. Sie ist nicht mehr meine Tochter.« Alessan hätte meine Gefühle nicht schonen müssen. Aber seine Reaktion bewies, daß sich hinter der erstarrten Fassade ein weicher, mitfühlender Kern verbarg.
An jenem Abend machte sich ein verblüfftes Raunen in der Tischrunde breit, aber niemand achtete auf mich, nicht einmal Tuero. Desdra war fünf Tage zuvor in die Heiler-Halle heimgekehrt.
»Lady Nerilka?« fragte Oklina zaghaft und starrte ihren Bruder aus großen Augen an.
»Ruatha braucht einen Erben«, entgegnete Alessan und setzte trocken hinzu: »Rill versteht diese Notwendigkeit.«
Alle Blicke wandten sich mir zu. Ich wagte kaum, von meinem Teller aufzuschauen.
»Jetzt weiß ich endlich, woher ich Sie kenne!« rief Tuero. Er lächelte, das erste Lächeln auf Ruatha seit zehn Tagen. »Lady Nerilka!« Er stand auf und verneigte sich tief vor mir. Den anderen schien der Atem zu stocken.
Oklina sah mich einen Moment lang verwirrt an, dann sprang sie auf, lief um den Tisch herum und schloß mich in die Arme. »O, Rill - du bist wirklich Nerilka von Fort?« Es gelang ihr nicht, die Tränen zurückzuhalten.
»Baron Tolocamp hat sein Einverständnis zu unserer Ehe erklärt. Ein Harfner und genügend Zeugen sind anwesend - also können wir das Bündnis nach Recht und Sitte besiegeln!«
»Ohne jedes Fest?« fragte Oklina empört.
Ich nahm ihre Hand und drückte sie fest. »Ohne jedes Fest, Oklina!« Meine Blicke baten um ihr Verständnis. »Wir haben im Moment zu wenig Zeit und Geld für eine große Zeremonie.«
Sie gab nach, aber auf ihrer glatten jungen Stirn zeichnete sich eine scharfe Falte ab. Ich wußte, daß sie sich Sorgen machte - um meinetwillen. Also erhob ich mich, Alessan nahm meine Hand, und wir traten vor die Versammelten. Alessan reichte mir eine goldene Vermählungsmünze aus seinem Beutel und bat mich förmlich, seine Gemahlin und Burgherrin zu werden, die Mutter seiner Kinder, geehrt und geachtet vor allen anderen Bewohnern Ruathas. Ich legte meine Hand auf die Münze - später sah ich, daß der Tag unserer Eheschließung eingraviert war - und gab ihm feierlich mein Heiratsversprechen. Bei den Worten »… die Mutter deiner Kinder« schwankte meine Stimme ein wenig, aber ich wußte, daß dies ein wichtiger Teil unserer Abmachung war.
Oklina bestand darauf, daß wenigstens Wein aufgetischt wurde, und bei einem Glas perlendem Weißen von Lemos tranken alle Anwesenden auf unser Wohl. Der Harfner hielt eine Festrede, aber kein Lächeln kam dabei über seine Lippen, und er hatte auch kein Hochzeitslied bereit. Ich bemühte mich, wie eine strahlende Braut auszusehen, aber ich kämpfte mit den Tränen.
Später brachte Tuero das Familienbuch und trug unsere Namen in das Register ein. Ich war nun rechtmäßige Herrin über Ruatha.
Alessan und ich zogen uns bald zurück. Er war sanft und liebevoll, aber ich spürte, wie mechanisch er seiner Pflicht nachkam, und in meinem Innern brannte der Schmerz.
Sonst änderte sich nicht viel für mich. Für die meisten auf der Burg blieb ich Rill, da ich wenig Wert auf Formalitäten legte. Onkel Munchaun schickte mir den Familienschmuck, den ich ihm in Verwahrung gegeben hatte, und meine Mitgift, eine kleine, aber wohlgefüllte Geldkassette. Er schrieb mir auch, was Tolocamp geäußert hatte, als er erfuhr, wo ich mich aufhielt: »Offenbar enden alle Frauen von Fort im Hause Ruatha. Wenn Nerilka Alessans Gastfreundschaft ihrem Elternhaus vorzieht, dann mag sie für immer dort bleiben.«
Onkel Munchaun wollte mir mit seinem Brief nicht weh tun, sondern verhindern, daß ich Vaters Äußerung von der falschen Seite erfuhr. Er selbst fand, daß ich genau das Richtige getan hatte, und er wünschte mir viel Glück für die Zukunft. Ich bedauerte
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