Die Drachenreiter von Pern 09 - Drachendämmerung
vereinte in sich die Vorzüge mehrerer ethnischer Gruppen. Sie war hochgewachsen, weder zu schlank noch zu üppig, und hatte herrliches, seidig schwarzes, gewelltes Haar, das sie meist offen trug. Ihre eher blassen Züge wirkten ebenso vollkommen wie ihre sorgfältig einstudierten Bewegungen, und ihre brennenden schwarzen Augen verrieten eine hochintelligente, wenn auch sprunghafte Persönlichkeit. Avril war eine Frau, der man besser nicht ins Gehege kam, und so hatte Sallah nicht nur zu Paul Benden betont Abstand gehalten, sondern auch zu allen anderen Männern, die sie öfter als dreimal in Avrils Gesellschaft sah.
Böse Zungen behaupteten zwar, daß sich Paul Benden in jüngster Zeit auffallend von Avril zurückgezogen habe und sie offenbar im Rennen um die Stellung als First Lady der künftigen Kolonie zurückgefallen sei, doch das ließ sich auch damit erklären, daß der Admiral im Moment mit den Landevorbereitungen alle Hände voll zu tun hatte und die Zeit der amourösen Abenteuer vorbei war.
Sallah hatte freilich andere Dinge im Kopf als Avril Bitras Intrigen. Sie brannte darauf zu erfahren, welchen Landeplatz die Expertengruppe ausgewählt hatte. Sie wußte, daß die Entscheidung gefallen war und daß man sie bis zur offiziellen Bekanntgabe durch den Admiral geheimhalten wollte, aber ihr war auch klar, daß die Neuigkeit rasch durchsickern würde. Es gab sogar heimliche Wetten, bis wann der Beschluß im Schiff die Runde gemacht haben würde. Sallah rechnete damit, bald Näheres zu erfahren.
»Da ist es!« rief ein Mann plötzlich aufgeregt. Er trat an den Schirm und deutete auf eine Stelle, die eben ins Bild gekommen war. An seinem Hemdkragen blitzte das Abzeichen der Agronomen. »Genau«, - er wartete einen Moment, weil sich der Planet ein winziges Stück verschob -, »hier!« Sein Zeigefinger berührte einen Punkt am Fuße eines Vulkans, eine winzige, aber doch deutlich erkennbare Landmarke.
»Wieviel hat Lili dabei kassiert?« wollte jemand wissen.
»Lili ist mir egal«, rief der Agronom. »Aber von Hempenstall habe ich eben einen Morgen Land gewonnen!«
Beifall und gutmütiger Spott klangen auf, und Sallah ließ sich von der gelösten Stimmung anstecken, bis ihr Blick auf Avrils verächtlich überlegenes Lächeln fiel. Die Astrogatorin hatte das Geheimnis also gekannt und ihren Tischgenossen vorenthalten. Bart Lemos und Nabhi Nabol steckten die Köpfe noch dichter zusammen und diskutierten erregt.
Avril hob die Schultern. »Der Landeplatz ist unwichtig.« Obwohl sie leise sprach, drang ihre erotische Stimme bis zu Sallah. »Glaubt mir, mit der Gig schaffen wir das.« Sie hob den Kopf und begegnete Sallahs Blick. Ihre Augen wurden schmal, und ihr Körper spannte sich. Dann lehnte sie sich betont lässig zurück und starrte ihr Gegenüber so unverschämt an, daß Sallah den Kopf abwandte.
Irgendwie fühlte sich die Pilotin von diesem Blick beschmutzt. Sie trank den letzten Schluck Kaffee und verzog das Gesicht bei dem bitteren Nachgeschmack. Der Kaffee an Bord war miserabel, aber sie würde selbst ihn vermissen, wenn die Vorräte erschöpft waren. Und Kaffeepflanzen waren bisher noch auf keiner Kolonialwelt gediehen, aus welchen Gründen auch immer. Das EV-Team hatte die Rinde eines auf Pern heimischen Strauches als Ersatz vorgeschlagen, aber Sallah erhoffte sich nicht allzuviel davon.
Nach dem Zwischenruf des Astronomen war der Lärmpegel im Aufenthaltsraum fast ins Unerträgliche gestiegen. Mit einem Seufzer kippte Sallah die Abfälle ihrer Mahlzeit in den Müllschacht, schob das Tablett in den Reiniger und stellte es ordentlich auf den Stapel. Dann gönnte sie sich einen letzten langen Blick auf Pern. Diese Welt werden wir nicht kaputtmachen, dachte sie. Ich werde mich mit allen Kräften dagegen wehren, wenn jemand es versuchen sollte.
Als sie sich zum Gehen wandte, fiel ihr Blick erneut auf Avril. Seltsam, daß ausgerechnet diese Frau sich für das Leben einer Kolonistin entschieden hat, dachte Sallah nicht zum ersten Mal. Avril machte die Reise als Kontraktorin mit und bekam als Entgelt ein ansehnliches Stück Land, aber sie war einfach nicht der Typ, der sich unter Farmern und Viehzüchtern wohl fühlte. Sie zeigte vielmehr das exaltierte Benehmen der Großstädterin. Die Expedition nach Pern hatte eine Reihe hochtalentierter Spezialisten angezogen, aber die meisten, mit denen Sallah ins Gespräch gekommen war, hatten als Grund für ihre Entscheidung angeführt, daß sie der von den
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