Die Drachenreiter von Pern 15 - Drachenklänge
älter sind als er, hätten den gleichen Bildungsstand. Aber ich werde ihn mit musikalischen Aufgaben beschäftigen, wenn ich Themen durchnehme, die er bereits beherrscht.«
Eines Morgens brachte Kubisa den schluchzenden, aus der Nase blutenden Robinton zu seiner Mutter zurück.
»Ach, Robie«, rief Merelan erschrocken und schloss ihr weinendes Kind in die Arme, derweil Kubisa ein feuchtes Tuch holte, um das Blut vom Gesicht zu waschen.
»Sie haben ihm wehgetan!« heulte Robie.
»Wem haben sie wehgetan?« erkundigte sich Merelan, wobei sie die Frage mehr an Kubisa richtete als an ihren Sohn.
»Eines muss man Robie lassen, obwohl er noch so klein ist, tritt er für jeden ein, der Hilfe braucht.«
»Wer brauchte Hilfe?« Vorsichtig tupfte Merelan das Blut ab.
»Der Wachwher«, erklärte Kubisa.
Überrascht hielt Merelan inne. Ihre Besorgnis wich einem gewissen Stolz. Die Lehrlinge machten sich oft einen Jux daraus, helle Glühkörbe in die Höhle des Wachwhers zu stecken, um das lichtempfindliche Tier zu quälen. Manchmal warfen sie ihm auch ungenießbare Dinge vor, in dem Bewusstsein, dass diese Kreatur alles verschlang, was sich in Reichweite seiner Kette befand. Wenn Robinton so etwas sah, lief er schnurstracks zum nächsten Erwachsenen, um den bösen Schabernack zu melden.
»Haben sie das arme Tier schon wieder getriezt?«
Robie zog die Nase hoch und nickte heftig. »Ich hab sie daran gehindert, aber einer schlug mir die Nase blutig.«
»Das sehe ich«, murmelte seine Mutter.
»Es waren die Kinder von Viehzüchtern, denen man wirklich etwas mehr Erbarmen mit einer geschundenen Kreatur zutrauen sollte«, sagte Kubisa. »Ich gehe gleich zu ihren Eltern und werde ein Wörtchen mit ihnen reden.« Sie streichelte Robie über das Haar. »Demnächst solltest du dich aber nur mit Kindern anlegen, die genauso klein sind wie du. Besser noch, lass dir von deinem Vater ein paar Tricks zeigen, wie man sich verteidigt.«
Schmunzelnd verließ sie das Quartier.
»Ich kann dir beibringen, wie man sich wehrt, Liebling«, erbot sich Merelan und drückte Robie fest an sich. Sie wusste nur zu gut, dass Petiron in dieser Hinsicht kein guter Lehrmeister sein würde. »Wenn ich richtig wütend war, konnte ich in einem Kampf sogar meine großen Brüder und Cousins bezwingen.«
»Du?« Robie bekam große Augen bei der Vorstellung, seine sanftmütige Mutter könne sich geprügelt haben, zudem noch mit viel größeren Brüdern und Vettern.
Sie erteilte ihm den ersten Unterricht in Selbstverteidigung und zeigte ihm, wie man einen Angreifer abwehrt. »Das Wichtigste ist, dass du in einer handgreiflichen Auseinandersetzung deinen Verstand benutzt, Robie«, riet sie ihm. »Dann holst du dir nicht so schnell eine blutige Nase.«
***
Robies täglicher Schulunterricht bei Kubisa verschaffte Merelan die dringend benötigte Atempause, die sie brauchte, um sich von den häuslichen Spannungen zu erholen. Ständig befand sie sich in Hab-Acht-Stellung, um zu verhindern, dass es zwischen Vater und Sohn zu Reibereien kam. Der dauernde Stress und die Heimlichtuerei bezüglich Robies Musikalität zerrten an ihren Nerven. Doch wenigstens konnten sie und Kubisa Petiron wahrheitsgemäß berichten, dass Robie ein vorbildlicher Schüler war.
»Lernst du auch alle Lehrballaden?« fragte Petiron zerstreut.
»Ja. Ich kann es dir beweisen.« Robinton wünschte sich nichts sehnlicher, als seinem Vater zu gefallen, doch egal, wie sehr er sich anstrengte, von Petirons Seite kam nie ein Lob.
Gelinde überrascht über den bestimmten Tonfall, lehnte Petiron sich in seinem Sessel zurück. Mit einer lässigen Handbewegung bedeutete er Robinton, er möge beginnen.
Merelan hielt den Atem an. Ihr Kopf war wie leergefegt, ihr fiel nichts ein, womit sie das Kommende hätte abwenden können. In wenigen Augenblicken würde Petiron erfahren, mit welch überragender musikalischen Begabung sein Sohn gesegnet war.
Robie holte tief Luft – er machte es richtig und schnappte nicht etwa wild nach Atem wie ein Anfänger – und interpretierte absolut fehlerfrei die Ballade über die Pflichten. Petiron blickte verdutzt drein, als der Junge seine kräftige Sopranstimme erklingen ließ, ohne einen einzigen falschen Ton zu singen. Gedankenverloren schlug er mit einem Finger den Takt mit, und während er lauschte, glättete sich seine finstere Miene.
»Das hast du gut gemacht, Robinton«, gab er schließlich von sich. »Aber glaube bitte nicht, dass es mit dem Erlernen
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