Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
ihn.«
»Und wer lehrt mich?«
»Als Offizier, junger Graf, wirst du viele Männer befehligen, und nicht alle werden begabt sein. Du mußt lernen, jeden Mann nach seinem besten Vermögen einzusetzen. Akarin wird als dein Partner mehr lernen als von jedem anderen Jungen … und ich werde dich unterweisen.«
»Von jetzt an ist er also mein Problem?«
»Ich glaube, es ist das beste für ihn – und für dich.«
»Wir werden sehen«, sagte Patris.
Als die Übungsstunden endeten, hatte Akarin viel von Patris gelernt, doch seine Arme und Beine waren voller blauer Flecken von den zahllosen Schlägen, die der ältere Junge ihm mit dem hölzernen Übungsschwert beigebracht hatte.
»Ich sehe euch morgen, meine Herren«, sagte Chareos, als sie müde nach Hause trotteten. »Zieht euch dann etwas passender an«, rief er ihnen nach.
Am nächsten Nachmittag versammelten sich die Jungen bei den Pfählen, als Chareos zu ihnen hinauskam. Akarin war nicht dabei. Statt dessen stand ein schlanker Knabe neben Patris.
»Und wer ist das?« fragte Chareos.
»Mein Vetter, Aleyn«, antwortet Patris.
»Wo ist Akarin?«
»Er hat beschlossen, die Übungen aufzugeben.«
»Und dafür hast du gesorgt, junger Graf?« fragte Chareos sanft.
»Ja. Du hast dich geirrt, Meister Chareos. Wenn ich Offizier bin, gibt es in meiner Truppe niemanden, der nicht auf
jedem
Gebiet ausgezeichnet ist. Schweine werde ich ganz gewiß nicht dabeihaben.«
»Ich dulde sie auch nicht, Graf. Deshalb schlage ich vor, daß du und dein Vetter euch auf der Stelle entfernt. Ihr anderen könnt mit den Pfählen beginnen.«
»Keiner rührt sich!« befahl Patris, und die Jungen erstarrten. »Du wagst es, mich zu beleidigen?« wollte er von Chareos wissen.
»Du selbst hast Schande über dich gebracht, Graf«, antwortete Chareos eisig, »und ich stehe dir nicht länger zu Diensten. Da diese Jungen deine Freunde und in gewisser Weise auf deinen guten Willen angewiesen sind, werde ich nicht von ihnen verlangen, daß sie hierbleiben und deinen Unmut herausfordern. Es gibt keinen weiteren Unterricht. Guten Tag.«
Chareos verbeugte sich vor der Gruppe und ging davon.
»Dafür wirst du büßen!« rief Patris.
Der Mönch beachtete ihn nicht und kehrte in seine Gemächer zurück. Er konnte seine Wut nur schwer bezähmen. Er war nicht auf Patris zornig, sondern auf sich selbst; er hätte es kommen sehen müssen. Der Sohn des Grafen war ein guter Athlet, doch sein Charakter war nicht lauter. Er zeigte eine Arroganz, die sich nicht bändigen ließ, und eine Grausamkeit, die sich nie würde im Zaum halten lassen. Nach einer Weile beruhigte er sich und ging in die Bibliothek.
Hier, in der kalten, steinernen Stille des Lesesaals, saß er und studierte die Schriften des Philosophen Neucean.
Verloren in seiner Arbeit merkte er nicht, wie die Stunden verstrichen. Eine Hand berührte ihn an der Schulter.
»Der Graf wartet im Langen Saal auf dich«, sagte der Bruder Senior.
Chareos verließ die Bibliothek und ging durch den überwölbten Garten zum Langen Saal. Er hatte damit gerechnet, wegen der Entlassung von Patris zur Rede gestellt zu werden – aber ein Besuch des Grafen? Und so rasch? Chareos hatte ein ungutes Gefühl. In Gothir waren die alten Feudalgesetze zwar sehr gelockert worden, doch der Graf war noch immer die höchste Macht in den Südlanden, und er konnte, wenn ihm danach war, einen Mann auspeitschen oder ins Gefängnis werfen lassen – oder beides.
Chareos wappnete sich und stieg die Treppe zum Saal hinauf. Der Graf stand am Südfenster; seine Finger trommelten rhythmisch auf das Fensterbrett.
»Willkommen, Graf«, sagte Chareos, und der schlanke junge Mann wandte sich ihm mit einem gezwungenen Lächeln zu. Sein Gesicht war fein geschnitten, das Haar lang und blond und nach der Mode am Hof des Regenten mit dem heißen Eisen gekräuselt.
»Was sollen wir in dieser Angelegenheit unternehmen, Chareos?« fragte der Graf und winkte den Mönch zu einer Sitzgelegenheit am Fenster. Chareos nahm Platz, doch der Graf blieb stehen.
»Du sprichst von den Unterrichtsstunden?«
»Warum wäre ich sonst hier? Du hast einen ziemlichen Aufruhr verursacht. Meine Gemahlin fordert deine Auspeitschung. Der Hauptmann der Wache will dich zum Zweikampf herausfordern, und mein Sohn will dich hängen sehen – obwohl ich ihm erklärt habe, daß der Abbruch von Unterrichtsstunden wohl kaum ein Verbrechen ist. Also, was können wir tun?«
»Ist die Angelegenheit so wichtig, Graf? Es
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