Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
und stapelte es neben den Kohlebecken auf. Mael sprach nicht mit ihm, und Beltzer hatte nicht das Bedürfnis, ihre scharfe Zunge zu spüren zu bekommen. Sie reichte ihm eine Schale mit Suppe und etwas Brot, als die meisten Mittagsgäste gegangen waren, und er aß schweigend. Er hätte liebend gern um einen Krug Bier gebeten, fürchtete jedoch die unvermeidliche Ablehnung.
Bei Sonnenuntergang kehrte Naza zurück und brachte einen Krug Bier zum Holzschuppen hinaus. »Wie geht es dir, mein Freund?« fragte er, füllte einen Becher und reichte ihn dem dankbaren Beltzer.
»Schlimmer als der Tod«, erwiderte dieser und trank das Bier.
»Du hättest das alles nicht tun müssen«, erklärte Naza. »Du hättest dich heute ausruhen sollen. Du hast letzte Nacht ganz schön was abbekommen.«
Beltzer schüttelte den Kopf. »Deine Frau versteht mich besser als du. Das hier ist es, was ich brauche«, sagte er und hob den Becher. »Weiß du, das alles ist verrückt, Naza. Ich war der berühmteste Mann von Gothir. Ich war der Fahnenträger. Mir wurden Wein und Speisen vorgesetzt, Geld und Geschenke in die Hände gedrückt. Ich war auf dem Gipfel des Berges. Aber da war nichts. Nichts. Nur Wolken. Und ich habe festgestellt, daß man auf diesem Berg nicht leben kann. Aber wenn er dich abschüttelt – oh, wie du dich nach ihm sehnst! Ich würde töten, um ihn noch einmal zu erklettern. Ich würde meine Seele verkaufen. Es ist so dumm! Durch den Ruhm, dachte ich, würde ich jemand
sein.
Aber so war es nicht. O ja, die Edlen luden mich eine Zeitlang in ihre Burgen ein, aber ich konnte nicht mit ihnen reden – nicht in ihrer eigenen Sprache. Nicht über Dichtung, nicht über Politik. Ich war ein Bauer. Ich kann weder lesen noch schreiben. Ich stand bei ihnen und saß bei ihnen und fühlte mich wie der Narr, der ich bin. Ich kann nur eins – ich kann eine Axt schwingen. Ich habe ein paar Nadir getötet. Ich habe die Fahne genommen. Und jetzt kann ich nicht einmal mehr wieder Bauer werden. Der Berg läßt mich nicht.«
»Warum besuchst du nicht Maggrig und Finn? Die beiden haben noch immer das Haus im Hohen Tal. Sie würden sich freuen, dich zu sehen, und ihr könntet von den alten Zeiten reden.«
»Sie waren immer Einzelgänger, und wir haben uns nie sehr nahe gestanden. Nein, ich hätte in Bel-Azar sterben sollen.«
»Der Tod kommt für alle Menschen früh genug«, sagte Naza. »Wünsche ihn dir nicht. Komm herein und trink etwas.«
»Nein, heute abend möchte ich hier draußen sitzen und nachdenken. Kein Saufen. Keine Schlägerei. Ich möchte nur hier sitzen.«
»Ich schicke dir einen Krug hinaus – und eine warme Mahlzeit. Ich lasse dir auch ein paar Decken bringen.«
»Du mußt das alles nicht für mich tun, Naza.«
»Ich schulde dir etwas, mein Freund.«
»Nein«, widersprach Beltzer traurig, »du schuldest mir nichts. Und von jetzt an will ich für mein Essen arbeiten.«
Man hatte vierzig hölzerne Pfähle von fünf Zentimetern Durchmesser in den Rasen getrieben, in Reihen zu jeweils acht, je einen Meter voneinander entfernt. Die acht jungen Schüler standen vor den Pfählen und warteten auf Chareos’ Anweisungen. Die Morgensonne schien hell, und eine sanfte Brise liebkoste die Ulmen, die am Rand der Rasenfläche standen.
»Nun, meine Herren«, sagte Chareos. »Ich möchte, daß ihr entlang der Pfähle geht, kehrtmacht und so schnell wie möglich zurückkommt.«
»Darf ich fragen, warum?« erkundigte sich Patris, der älteste Sohn des Grafen. »Sollen wir nicht den Gebrauch des Schwertes lernen?«
»Genau das, junger Herr. Aber ein Schwert hält man in der Hand, und das ist nur ein Aspekt der Fertigkeiten eines Schwertkämpfers. Gleichgewicht ist alles. Und jetzt nehmt bitte eure Positionen ein.«
Die Jugendlichen traten an die Pfähle und liefen vorsichtig los. Patris bewegte sich geschickt voran, machte kehrt und rannte zu Chareos zurück. Die anderen Jungen folgten etwas vorsichtiger. Drei glitten aus und mußten einen zweiten Versuch unternehmen. Diese drei nahm Chareos beiseite.
»Ihr werdet hier bei den Pfählen weitermachen, bis ich zurückkomme«, befahl er ihnen. Einer von ihnen war das dicke Kind, Akarin, der Sohn des Obersten Rates der Stadt. Er würde nie ein Schwertkämpfer werden, aber er machte alles mit, und Chareos mochte ihn.
Er nahm die anderen fünf Jungen mit zur Laufbahn. Sie war am Vortag fertig geworden, und Chareos war sehr zufrieden damit. Ein langes Brett lag schräg auf einer
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