Die Dunkelgräfin: Das Geheimnis um die Tochter Marie Antoinettes (German Edition)
ihr Bücher bringen. 5
Die städtischen Kommissare, für die nach dem Tod Louis’ XVII. keine Notwendigkeit mehr bestand, wurden nun abgezogen. Ende Juni 1795 wurde die Bewachung im Temple reduziert auf die beiden Wachen Lasne und Gomin, den Hausmeister Darque, die Schließer Baron und Gourlet, die Gefängniswärter Richard und Marcel und 15 Soldaten.
Man ließ Marie Thérèse bessere Kleidung zukommen, unter anderem zwei Morgenkleider aus farbigem Taft, zwei aus Baumwolle, sechs Paar Seidenstrümpfe und sechs Paar Schuhe, zwei Dutzend Hemden aus feinstem holländischem Leinen und ein grünes Seidenkleid. Außerdem bekam sie Papier, Stifte, Tinte und Pinsel. 6 In ihren Räumlichkeiten blieben die Fenster aber weiterhin vergittert.
Die neue Gesellschafterin setzte sich sofort für eine weitere Verbesserung der Lage Marie Thérèses ein, schrieb einen Brief an das Sicherheitskomitee, in dem es hieß, für die Gesundheit ihres Schützlings sei es unbedingt nötig, dass sie draußen im Garten spazieren gehen dürfte. Sie bekam die Erlaubnis, und so konnte Marie Thérèse das erste Mal seit dreieinhalb Jahren zwischen Blumen und Bäumen im Garten des Temple spazieren gehen. Und es muss auch Madame de Chanterenne gewesen sein, die die Waise über den Tod ihrer Angehörigen informierte.
Die junge Frau liefert am 28. Juli 1795 ihren ersten Bericht über Marie Thérèse an das Komitee: »Sie besitzt eine Charakterstärke, die ihrem Alter weit voraus ist. Ihre Herzensgüte verbindet sich mit Stärke und Geistesenergie, während das Grübeln und das zwanghafte Auftreten, das sie normalerweise zeigt, Platz macht für offene und einnehmende Anmut.« 7
Andere Quellen besagen, dass die Prinzessin nach wie vor sehr konfus redete und man sie kaum verstehen konnte. Kein Wunder, da sie ja 15 Monate lang so gut wie nie gesprochen hatte. Es dauerte einen ganzen Monat, in dem sie laut vorlesen musste, dabei jedes Wort sorgfältig betonend, um zu lernen, sich wieder richtig auszudrücken. 8
Marie Thérèse war glücklich darüber, dass sie in Madame Chanterenne endlich wieder eine weibliche Begleitung hatte, mit der sie schon bald freundschaftliche Gefühle verbanden. Wie sehr sie unter ihrem Leben umgeben von Soldaten gelitten hat, geht aus den Zeilen eines Gedichts hervor, in denen sie den Moment ihrer Ankunft beschreibt und Madame de Chanterenne mit der personifizierten Tugend vergleicht, die zurückgekehrt ist:
»An diesem traurigen Ort des Schreckens
schien mir die Tugend, die meinem Herzen (so) gefällt,
für immer verbannt.
Wegen der Tränen, die er fließen sah,
hat der Himmel mein Leben,
das zu oft beinahe ausgehaucht worden wäre,
erhalten.
Vor dieser sanften, liebenswerten Tugend
endet seine Unerbittlichkeit;
er bewirkt, dass ich sie endlich über eine
traurige Pflicht triumphieren sehe.
Sie besänftigt und beruhigt meine Seele,
wärmt sie mit sanfter Flamme,
und tröstet mich an diesem Ort
durch die Helligkeit eines neuen Tages.
Weit war sie aus meinem Blick geflohen,
dieser Moment brachte sie mir zurück.
Nun lässt der Himmel mich daran erfreuen,
alles umher lässt sie mich fühlen.
Alles erinnert mich an sie,
ich sehe kein aufbegehrendes Herz mehr,
endlich lebt sie in meiner Nähe.
Alles umfasst das sanfte Gebot.
Muss ich sie wirklich benennen,
diese Tugend, die den Menschen schmückt,
die die Unglücklichen tröstet,
die den Horror dieses Ortes besingt,
die für immer hierher zurückkommt,
um für immer angebetet zu werden;
die in diesen Augenblicken zu mir zurückkehrt,
um meine Qualen zu mildern?
Sie lebt im Turm des Temple;
jeder möchte ihrem Beispiel folgen.
Sensibilität ist ihr Name.
Sie herrscht in meinem Gefängnis,
sie bezaubert mein Herz;
es erlebt keinen Schrecken mehr
seit es in ihrer Nähe nur noch
helfende, mitfühlende Seelen gibt.« 9
Madame Chanterelle war aber nicht die Einzige, die sich beworben hatte, als bekannt wurde, dass man nach einer weiblichen Gesellschaft für die Prinzessin suchte. Bereits am 25. 6. ging die Bewerbung von Madame Hue, der Frau des ehemaligen Kammerdieners Hue, ein; vier Briefe schrieb sie innerhalb von drei Tagen.
Auch die ehemalige Kammerfrau von Madame Royale, Madame Fréminville, und Madame de Mackau, die frühere Erzieherin der Königskinder, bewarben sich.
Alle drei betonten in ihren Schreiben, dass sie wegen ihrer früheren Beziehung zu Madame Royale besonders geeignet seien. »Ich habe sie aufgezogen seit dem Augenblick ihrer Geburt; bis zum Alter von sieben
Weitere Kostenlose Bücher