Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa
Züge wirkten bleicher als sonst.
»So muss ich ein zweites Mal auf die Liebe verzichten?«, klagte er mit seinem Schicksal hadernd, und obwohl auch ich untröstlich war, nickte ich.
»Dann erweise mir die Gnade und töte mich«, sagte er plötzlich seltsam ruhig und ohne jede Emotion in der Stimme. »Vollende auch mein Schicksal, Louisa. Erlöse mich.«
Ich zuckte vor diesem Ansinnen zurück. »Das kann ich nicht, Amadeus! Dafür liebe ich dich viel zu sehr.«
Er stöhnte verzweifelt auf. »Zu sehr?! Aber nicht so sehr, dass du mit mir mein ewiges Leben teilen willst! Du sagst, du liebst mich, und lässt mich dennoch allein auf dem endlosen Band der Zeit bis in alle Ewigkeit dahintaumeln. Verdammt, nur weil ich eine Vampirin so sehr geliebt habe, dass ich für sie und ihr Kind, das nicht einmal das meine war, mein menschliches Leben opferte. Ist das meine Schuld? Muss ich deswegen bis in alle Ewigkeit wie Tantalos unendliche Qualen erdulden?«
Seine Verzweiflung brach mir fast das Herz.
»Ich kann ohne Liebe nicht leben, Louisa. Ich werde, wie du weißt, zu einer mörderischen Bestie. Mein erbarmungsloses Schicksal macht mich von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag grausamer gegen meine Opfer. Louisa, ich bitte dich, ich flehe dich an: Wenn du mich nicht lieben kannst, dann töte mich! Erlöse mich von mir selbst! Lass mich zu meiner geliebten Estelle gehen!«
Ich trat näher zu ihm und sagte leise: »Wenn du es wirklichwillst, Amadeus, werde ich einen Weg finden. Meine Mutter ist eine gläubige Frau, sie hat Kontakte zu einem Mönch, er heißt Bruder Antonius. Ich werde mit ihm sprechen, und wenn es möglich ist, werde ich dir dabei helfen, deine unsterbliche Seele zu erlösen und dich vom Los der Untoten zu befreien.«
Er zog mich in seine Arme und berührte mit seinen kalten Lippen meinen Mund. Es war, als hätte er sie mit gefrorenem Sauerstoff bestrichen, so sehr brannte es.
Ich schob ihn von mir und flüsterte: »Geh zurück nach Blankensee, hinunter in das geheime Gewölbe. Verabschiede dich von Friedrich und Klara und leg dich schlafen. Ich werde zu dir kommen, wenn die Zeit reif ist.«
Wir umarmten einander innig, und ich merkte, wie Amadeus begann, in meinen Armen zu erstarren.
»Geh, Lieber«, bat ich noch einmal. »Bitte, geh jetzt.«
Und so schied er mit versteinerten Gefühlen von mir.
Am nächsten Morgen telefonierte ich mit meiner Mutter, und sie erklärte sich dazu bereit, mich mit Bruder Antonius bekannt zu machen. Es war eine heikle Mission, auf die ich mich da einließ, aber ich beschloss, von vornherein mit offenen Karten zu spielen.
»Es geht um eine … eine Art Exorzismus«, sagte ich und kam mir dabei reichlich albern vor. Sicher dachte Bruder Antonius, ich hätte zu viele einschlägige Horrorfilme gesehen. Aber er nahm es erstaunlich sachlich.
»Komm, meine Tochter«, meinte er nur mit einem schelmischen Lächeln, »lass uns ein wenig in den Klostergarten gehen, er hat weniger Ohren als dieses Sprechzimmer.«Einige Tage später, kurz vor Mitternacht, betraten Bruder Antonius, Marc und ich hinter einem Prozessionskreuz her schreitend, das geheime Gewölbe. Friedrich ließ uns herein, verabschiedete sich aber dann. Was wir vorhatten, schloss ihn und Klara automatisch aus, obwohl sie sich, von Amadeus informiert, ausdrücklich mit unserem Tun einverstanden erklärt hatten.
Amadeus lag schön und bleich auf seinem Bett, die Augen zwar geöffnet, aber den Blick starr ins Nichts gerichtet.
»Ist er tot?«, fragte Marc von diesem Anblick unangenehm berührt.
Obwohl ich lange mit ihm gesprochen und ihm dabei die ganze tragische Familiengeschichte enthüllt hatte, war er nur schwer zu bewegen gewesen, an dieser Aktion mitzuwirken. Schließlich tat er es aus Liebe zu mir aber doch.
»Nein, man nennt diesen Zustand Katatonie«, beantwortete ich seine Frage leise mit meinem aus der Chronik stammenden Wissen. »Es ist eine vollständige physische und geistige Erstarrung, die bei Vampiren eintritt, wenn sie ihre gesamten Lebensfunktionen herunterfahren. So können sie jahrzehntelang ruhen, ohne jegliche Nahrung zu benötigen.«
»Das ist praktisch«, meinte Marc und regte an: »Warum lassen wir ihn dann nicht einfach weiterschlafen? Er tut in diesem Zustand doch niemandem etwas zuleide. Ich finde es grausam, was wir vorhaben.«
So sehr ich ihn verstehen konnte, ich durfte nun nicht einknicken. Ich zog ihn zur Seite, damit Bruder Antonius uns nicht hörte, denn dem hatte ich nicht
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