Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa
Nötigste von dem Gespräch mit der Anwaltskanzlei und setzte ihr ein Schreiben auf, in dem sie das Erbe ablehnte.
»So, hier noch unterschreiben und dann schicke ich es fort und die Sache ist für dich erledigt.«
Sie unterzeichnete und atmete dann auf. Es war, als wäre eine schwere Bürde von ihren Schultern gefallen. Allem Anschein nach wollte sie wirklich nichts mehr mit dem Gut zu tun haben. Hm, das gab mir doch zu denken.Sollte es tatsächlich ernst zu nehmende Gründe dafür geben?
Aber erneut argumentierte sie nur mit dem finanziellen Risiko. »Ich bin froh, Kind, dass du so vernünftig bist. Es hätte uns kein Glück gebracht.«
Als ich das Blatt zusammen mit meinem Auftrag an die Kanzlei in den Briefumschlag schob, schämte ich mich ein bisschen, weil ich nicht offen zu ihr war, zugleich aber fühlte ich tief in meinem Inneren, dass ich das Richtige tat und wieder hatte ich die sanfte männliche Stimme im Ohr, die flüsterte: »Komm, komm bald … Ich warte auf dich!«
Aber aus dem baldigen Kommen wurde nichts. Denn die Semesterferien gingen zu Ende und ich hatte nichts mehr von der Anwaltskanzlei gehört.
Das Einzige, was mich hin und wieder an das Gut erinnerte, waren Träume … Träume von einem großen Haus am See und einem äußerst attraktiven Mann mit einer angenehm warmen Stimme! Ach ja, man gönnte sich ja sonst nichts.
Doch dann hatte ich einen Traum, der mich regelrecht aufwühlte.
Wieder stand ich in dem dunklen, fensterlosen Raum mit dem prächtigen Himmelbett. Die Vorhänge waren noch immer zugezogen, und da ich auch diesmal den unwiderstehlichen Drang verspürte, nachzusehen, was sich dahinter verbarg, schob ich einen davon, trotz des unangenehmen Gefühls, etwas Verbotenes zu tun, mit bebenden Händen zurück …
Es kam mir vor wie ein Frevel, so als würde ich in ein Heiligtum eindringen, ohne mich zuvor mit Weihwasser bekreuzigt zu haben. Doch mein Handeln stand wie unter einem Zwang. Als ich nun sah, was sich hinter dem Vorhang verbarg, da dankteich Gott für diesen kostbaren Augenblick … denn vor mir lag in tiefem Schlaf ein unglaublich gut aussehender Mann, dessen Attraktivität mich sogleich in ihren Bann schlug. Sein Gesicht war sehr edel geschnitten und dennoch von einer markanten Männlichkeit. Aber er war leichenblass und die sinnlichen Lippen seines gut geformten Mundes wirkten seltsam blutleer.
Ich starrte fasziniert auf diesen Traum von einem Mann und fragte mich angesichts seines Zustandes, ob er nur schlief oder ob ich an einem Totenbett stand? Aber ehe ich diese Frage noch abschließend klären konnte, wirbelte mit einem entsetzlich schrillen Pfeifgeräusch ein schwarzer Ascheregen durch den Raum und hüllte uns in seinen erstickenden Dunst ein.
Schwer nach Atem ringend erwachte ich.
Sein Gesicht ließ mich nicht mehr los.
Als ich im Probenraum der Schauspielschule stand und in einer Übung in der Rolle der Antigone in den Tod gehen musste, ins Grab … ins Brautgemach … ins unterirdische Gefängnis für allezeit, da stand es vor meinem inneren Auge, und es war, als führte mich Antigones Schritt ins Totenreich geradewegs zu ihm.
»Was ist mit dir passiert?«, fragte mein Schauspiellehrer Knuppers nach der Übung. »So echt habe ich dich noch nie erlebt.«
Ich wurde rot bei diesem unerwarteten Lob, konnte aber nur die Achseln zucken … wusste ich die Antwort doch selber nicht.
Später aber wurde mir klar, dass ich in meinem letzten Traum beim Anblick des bleichen schönen Mannes auf dem Sterbebett eine tiefes Gefühl von Verlust und Tod eines geliebten Menschen verspürt hatte. Denn das war er mir inzwischen geworden … ein heimlicher Geliebter!Ein Schatten zwar und nur ein Traum, von dem ich nicht wusste, ob er jemals wirklich existiert hatte oder existieren würde … aber auch ein Wesen, zu dem mich eine immer stärker werdende Sehnsucht hinzog. Ja, ich fühlte mich getrieben von einem leidenschaftlichen Begehren, das ich mit meinem Verstand nicht erklären konnte.
Es war natürlich völlig wahnsinnig, aber seit ich das erste Mal von ihm geträumt hatte, war ich ihm verfallen. Mit Haut und Haar und Herz … Hirn völlig abgeschaltet!
»Meinst du, ich habe das Käthchen von Heilbronn so verinnerlicht, dass ich nun schon selber anfange, mir einen Grafen zu träumen, so wie sie ihren Wetter vom Strahl?«
Meine Freundin Isabell lachte amüsiert.
»Garantiert! Bei deiner Fantasie!«
»Schade«, seufzte ich, denn diese Erklärung war mir viel
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