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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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schlug sich barhäuptig durch die Widrigkeiten der Witterung, überquerte den Marktplatz, wich engumschlungenen Pärchen, streunenden Hunden, wartenden Zuhältern und einer Gruppe älterer Herren aus, die in einer Schneeballschlacht Stalingrad nachspielten. Diesmal sollte der Russe nicht gewinnen. Ich erinnerte mich, dass man in der Bundeswehr jetzt auch eine Gefechtsmedaille bekommen konnte, formschön am Band, machte sich als Sargschmuck immer gut. So dachte ich vor mich hin, während ich Lothar folgte, ohne zu wissen warum. Aber ist das nicht immer so? Wer jemandem folgt, weiß nie warum, jedenfalls später nicht, wenn die Scheiße endgültig dampft. Womit ich wieder bei Stalingrad und Orden war.
    Aber vor allem bei der Leitfrage meines Daseins: Was machte ich da gerade? Hatte es einen Sinn und Zweck? Konnte doch sein, dass dieser Lothar im Haus der Webers wohnte und Sonja rein zufällig aus dem Fenster geschaut hatte, um den Flug der Flocken mit melancholischem Blick still zu begleiten. Lothar geht noch einen trinken, hofft auf einen Beischlaf mit Monika, erhält eine Abfuhr und beschließt, die dringend notwendige Entladung in einem bordellähnlichen Betrieb mit professioneller Unterstützung vorzunehmen. Und tatsächlich näherte er sich dem Rotlichtbezirk, der aus zwei gegenüberliegenden Häusern bestand, vor denen aber witterungsbedingt nicht das Fleisch paradierte und darauf wartete, einer der beiden soeben näherkommenden Schneemänner unterbreite ihm ein unmoralisches Angebot.
    Lothar wurde langsamer, blieb aber nicht stehen. Ein Fenster öffnete sich, ein blonder Kopf streckte sich heraus, etwas wurde gesprochen, doch Lothar ging weiter, wurde schneller. So passierten wir den Ort der Sünde, ohne uns zusätzliche drei Monate Fegefeuer einzuhandeln.
     
     
    17
    Unser kleiner Rundgang durch die Stadt endete in einer Straße mit dem imposanten Namen „Dr-Rüdiger-von-Seckendorff-Allee“, an der sich Häuser der Gründerzeit anachronistisch in den Schneehimmel reckten. Dies jedenfalls entnahm ich der Infotafel am Straßenschild, „einzig erhaltenes Gründerzeitensemble unserer Stadt“, und fragte mich unwillkürlich, was denn hier gegründet worden war. Vielleicht ein Verein zur Förderung elend langer Straßennamen unter Betonung falscher Tatsachen, denn es gab keinen einzigen Baum in dieser Allee und es sah nicht so aus, als hätte es jemals einen gegeben.
    Lothar verschwand in einem Hauseingang und gleich darauf wurde das Flurlicht angeknipst. Ich hatte vor, lässig vorbeizuschlendern, mir eine zu drehen und zu warten, bis auch das Licht in einer der Wohnungen aufleuchten würde. Ein Blick auf das Klingelbrett und schon weiß ich, wo Lothar wohnt und wie er mit Nachnamen heißt. All das hätte ich zweifellos getan, wäre nicht mein Blick auf einen am gegenüberliegenden Bürgersteig geparkten Wagen gefallen, hinter dessen schneebedeckten Fensterscheiben für eine Sekunde ein Feuerzeug angeknipst worden war.
    Vielleicht hatte ich mich getäuscht. Nicht was das Aufflackern des Feuerzeugs betraf – in solchen Dingen irre ich mich nie – wohl aber über meine sofort assoziierenden Gedanken, die einen Mann imaginierten, der im von der Standheizung hinreichend erwärmten Inneren des Wagens auf Lothar gewartet hatte. Unsinn. Mochte sein, dass dort ein Berufskollege von mir in einem anderen Fall tätig war, außereheliche Aktivitäten zum Beispiel. Er schlug sich die Nacht um die Ohren, während in einer der Wohnungen jener berühmten Dr-Rüdiger-von-Seckendorff-Allee ein untreuer Ehemann auf einer 24jährigen lag und pausenlos an eine 42jährige dachte, die keinesfalls ein langes blondes Haar auf seiner Jacke finden durfte. Und war das nicht überhaupt des Rätsels Lösung? Lothar und Sonja Weber hatten ein Verhältnis, die Geliebte schaut ihrem Liebhaber beim Verlassen des Hauses traurig nach, dieser wechselt die Straßenseite, um in der „Bauernschenke“ bei der Co-Geliebten Helga gut Wetter zu machen, was ihm aber nicht nur in Anbetracht der Witterungsverhältnisse gehörig in die Hose, das heißt genau da hinein eben nicht geht – und ich Idiot vergeudete die Hitze meiner teuer bezahlten Glühweine an eine sinnlose Verfolgung.
    Ich wechselte die Straßenseite, sah über die Schulter zu dem Haus hin, in dem Lothar verschwunden war, im 4. Stockwerk war Licht gemacht worden. Das merkte ich mir. Das Auto stand noch immer da, nichts tat sich. Jemand mochte gerade fluchen und rauchen, um dann zu rauchen

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