Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
Arbeit an und für sich ganz gerne, nur das Geld verleidete ihm alles, das heißt die ziemliche Abwesenheit von Geld, „immer nur Mindestlohn oder Tagelohn und die anderen stopfen sich die Taschen voll. Ich hab dann – na ja, ich hab dann meine Ohren offen gehalten, bei diesen Exportfritzen bin ich ja als mies bezahlte Aushilfskraft quasi ein und aus gegangen, und das mit den Osterhasen war mir schnell klar und mit den Formeln, die da... aber das wisst ihr doch alles schon, oder?“ Eben. Das wussten sie alles schon. Soviel zum winzigen Kern an Wahrheit, selbst Moritz Klein, sich langsam von der Malträtierung seiner edelsten Körperteile erholend, schaute sehr gequält und misstrauisch, Vika nestelte an ihrer Umhängetasche, tat so, als suche sie etwas darin – wahrscheinlich die Pistole, mit der sie Regitz erschießen würde, löge er allzu dreist.
„Tja, liebste Kerstin, du interessierst dich also für die Vision von der geldfreien Wirtschaft? Von der Befreiung der menschlichen Rasse vom Joch des Monetären? Freut mich, freut mich. Und glaub bloß nicht, das sei eine moderne Spinnerei von so ein paar drogengeschädigten Althippies! Kennst du eigentlich die Geschichte der geldfreien Wirtschaft? Sagt dir der Name Graf Strontium etwas? Nein? Nun, wenn du ein wenig Zeit mitgebracht hast, erzähle ich dir das alles gerne in groben Zügen.“
Irmi war kurz davor zu rülpsen, was hier niemanden gestört hätte, das war ihr klar. In ihrem Magen vereinigten sich die Spezialitäten vieler Länder, schwammen in den ätzenden Wonnen eines mindestens 40 Jahre alten Grappas, den „die Luzi“ aus einem Schränkchen im Wohnzimmer geholt hatte. Der Rainer seinerseits hatte für sich und den Konrad dicke kubanische Zigarren aus der Jackentasche gezogen. So saßen sie da, rauchten, tranken und genossen die Stille des Landlebens. Im Stall muhte eine Kuh, daneben wieherte ein Pferd und ein Schwein pfiff. Auch der Rainer begann sinnierend aus sich heraus zu pfeifen. „Dann beginnen wir am besten gleich dort, wo immer alles beginnt. Bei einem Menschen, der eine Idee hat.“
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Regitz schwitzte, obwohl die Temperaturen im Café, draußen gar, ihre Hände, so sie welche gehabt hätten, in eiskalter Unschuld wuschen. Prima, dachte der Alte, ich hab welche, also wasche ich sie mal fleißig. Vika war ungeduldig geworden. Aber was konnte ihm hier passieren? Nichts, oder? Es überraschte ihn, dass er dennoch mit der Möglichkeit rechnete, sie werde ihre Knarre auspacken und ihn coram publico umnieten.
„Na, ich bin ein wissbegieriger Mensch. Gelt, Moritz?“ Der nickte tatsächlich, wenn auch nicht mit der gewünschten Inbrunst. „Ich wollte eben alles wissen über dieses Geldlosgedöns, das war so eine Art Volkshochschulkursus, ja? Sie haben mir das ganz en détail verklickert, wie der Franzose sagt, also wie das angefangen hat. Keine neue Idee.“
„Fürwahr“, schmunzelte der Rainer und produzierte eine mächtige kubanische Rauchwolke, „neu ist das nicht. Die Idee von der Abschaffung des Geldes ist uralt. Die Inkas kannten kein Geld, bis die spanischen Eroberer es ihnen brachten – und leider noch vieles mehr. Zum Fundus der Ideen des Anarchismus im 19. Jahrhundert gehörte die Vision vom Verschwinden des Geldes natürlich auch, den ersten ernsthaften Versuch wagte man jedoch schon zur Zeit der großen Französischen Revolution. Und hier begegnen wir zum ersten Mal dem Namen des Grafen Strontium.“
„Tja“, schmunzelte Regitz, „scheiß Name, ne? Soll so ein illegitimer Spross eines russischen Fürsten und einer französischen Landadeligen gewesen sein, nichts genaues weiß man nicht. Nannte sich später Bürger Nicolas Strontium, von wegen Guillotine und so, da war man als Adelsnamenträger quasi in der höchsten Risikogruppe. Unser Strontium aber war so ein richtiger Hardcore-Revoluzzer, der hatte schon vor der Revolution eine Kommune auf dem Landsitz seiner Familie aufgemacht.“
„Die Commune antimonetaire“, näselte der Rainer in perfektem Fastfranzösisch. „Und das war eben nicht nur Tauschgeschäft, was wir hier so machen. Strontium hatte eine politische Idee, er war ein Theoretiker und Umstürzer. Das lag ihm im Blut gewissermaßen und die Revolution war sein Podium.“
„Podium, ja.“ Regitz zündete sich eine Zigarette an. „Also der Grundgedanke war ungefähr folgender: Geld lässt sich nicht so einfach abschaffen. Die Menschen sind halt dumm. Du brauchst immer eine Katastrophe, den
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