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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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falsch?“
    Reykjavik, Island, eine Kneipe in der Innenstadt. Fünf Männer taten kund, Halgrim Björnson sehe das völlig richtig. Man würde sich wehren müssen. Aber wie? Es gab nicht einmal mehr telefonischen Kontakt zur Außenwelt, kein Internet, kein Garnichts. Durch die Straßen patrouillierten Männer mit blauen Armbinden, niemand wusste, wer sie geschickt hatte. Ausländer waren gesehen worden, im Regierungsviertel, in den reicheren Vierteln außerhalb. Niemand kannte sie.
    „Sigurd hat versucht, mit seinem Boot von der Insel zu kommen.“ Ein Rothaariger mit noch roterer Nase sagte es einfach so. Und setzte hinzu: „Man hat ihn erwischt. Sitzt im Gefängnis, seine Frau darf ihn nicht besuchen.“ Ja, das Leben war gefährlich geworden. „Wenn man wenigstens telefonieren könnte“, wünschte sich Björnson. „Meine Tochter Nancy lebt ja in Deutschland.“ Das wussten alle. Nancy, die gigantische Bildhauerin, kam nach ihrer Mutter, ebenfalls ein Albtraum von Weib, um das sie Halgrim stets beneidet hatten. „Ich verstehe nicht, wie die das schaffen. Dass wir nicht mehr telefonieren können, meine ich.“
    Reykjavik, Island, immer noch Nachmittag, immer noch die Kneipe in der Innenstadt, immer noch ein Halbdutzend älterer Männer vor ihrem Bier. Einer von ihnen, er hieß Aasgeir Gudmundson, eigentlich ein schweigsamer Mensch, wettergegerbt von den Tagen und Nächten auf See, murmelte „ja, ja“. Keiner der anderen erinnerte sich an eine längere Rede Aasgeirs, jedenfalls nicht, seit die Sängerin Björk die Insel verlassen hatte und zu Weltruhm gelangt war. Damals hatte Aasgeir Gudmundson diesen Umstand mit einem weit ausgeholten „Oh ja, hm“ kommentiert.
    Er nahm tief Luft. Die anderen erstarrten und vergaßen zu atmen. Dann sagte Aasgeir Gudmundson in einer nie geahnten langen Rede: „Müsste man was machen. Mit dem Telefonieren. Is technisch möglich. Ich guck mal.“ Sofort schnappte er wieder nach Luft, denn er war tiefrot angelaufen. Er trank einen kräftigen Schluck Bier und lehnte sich erschöpft zurück. „Gute Idee“, lobte Halgrim Björnson, den sie „die Plappermaschine“ nannten, weil er einmal 139 Wörter am Stück geredet hatte, davon waren 67 „Scheiße“ und „Hurensöhne“ gewesen.
    Es war dunkel. Es war eigentlich immer dunkel zu dieser Jahreszeit, nur ein oder zwei Stunden nicht, aber das fiel meistens nicht auf. Draußen gingen zwei Männer mit blauen Armbinden vorbei, lugten durch das Fenster in die Kneipe, gingen weiter. „Idioten“, zischte der Rothaarige und ein Blonder bestätigte: „Idioten“. Dann schwiegen sie wieder. Bis Aasgeir Gudmundson abermals eine Menge Luft einatmete und zur zweitlängsten Rede seines Lebens ansetzte. „Ich geh dann mal gucken. Wegen Telefon. Meld mich dann.“ Die Männer nickten. Ihre Biere hatten sie längst ausgetrunken.
     
     
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    Hermine und Vika mochten sich auf den ersten Blick, so wie sich im Tierreich Hund und Katz mögen oder in der Kriminalliteratur Sherlock Holmes und Doktor Moriarty. Taxierende Blicke aus eiskalten Augen über einem Mund im Dauergefrierlächeln. Und ich? Ich stand mal wieder zwischen sämtlichen Fronten, das Objekt der Begierde und das der emotionalen Zerstörung gleichermaßen.
    „Ich kann nicht lange bleiben“, sagte Hermine, „weil ICH muss ja arbeiten.“ Oha, das saß. Wir setzten uns ebenfalls. Ich bemühte mich um einen geschäftsmäßigen Ablauf der infernalischen Dreierbeziehung, brachte Hermine in kurzen Worten auf den neuesten Stand der Dinge, Vika schwieg, immer noch in die Betrachtung Hermines vertieft, die ihrerseits in die Betrachtung Vikas vertieft war und meinen Worten außer mit angedeutetem Kopfnicken keine Beachtung zu schenken schien. Weiber, dachte ich resigniert und, wenig politisch korrekt, sie brechen immer alles gleich auf die hormonelle Ebene runter, dabei ging es doch hier um Ereignisse globalen Ausmaßes. Denke ich etwa an Sex? Erregen mich Hermines Brüste oder Vikas Allerwertester? Ach was! Meine Gedanken sind voll auf die Errettung der Menschheit von allen Übeln fixiert, drehen sich permanent um Recht und Gerechtigkeit. Ende der Märchenstunde.
    „Was trinken?“ spielte ich den perfekten Gastgeber, erntete jedoch nur weibliches Schweigen. Dann eben nicht. „Wie lange bleiben SIE?“ wollte Hermine wissen. „WO?“ fragte Vika zurück, „in der Stadt oder HIER?“ „Sowohl als auch“, präzisierte Hermine. „Weiß noch nicht“, verschleierte Vika.

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