Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
einen Moritz Klein noch eine Vika, diese VOLLWERT-BITCH, dieses schlecht designte Miststück, das sich mit einem schwanzdominierten Primaten auf schlüpfrigen Laken suhlt, und die Haare erst, die Haare! Ihr Friseur musste sich den Arm gebrochen haben oder unter irgendwelchen Medikamenten stehen – aber bitte sehr, ihr doch egal, sie kannte überhaupt keine Vika, sie kannte keinen Moritz Klein, aber wenn der sich entblöden sollte, sie noch einmal anzurufen – sie stockte, blieb stehen, fischte das Handy aus der Handtasche, drückte Tasten, studierte das Display – ha! Hatte sie es doch geahnt! Nicht einmal eine SMS schickte ihr dieser Kerl, den sie nicht kannte und nie gekannt hatte, nicht einmal eine SMS, wie schäbig war das denn? Aber wehe, du schickst mir eine SMS, ich reagiere einfach nicht drauf, du Sauhund mit deiner läufigen Hündin, wahrscheinlich quält ihr euch gerade zum Orgasmus und macht euch über mich lustig...
Sie trat ein. Gut besucht. Sofort schlugen ihr Wärme und Liebe entgegen, Blicke der Freundschaft und des Begehrens, eine spontane Welle Glück durchfuhr Hermines Körper, wie gut, dass sie diesen Moritz Klein nicht kannte, aber wehe, er würde ihr eine SMS schreiben, aber wehe, er würde ihr keine schreiben. Und, okay: Irgendwie war diese Vika gar nicht so uneben gewesen. Und verboten hübsch dazu.
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„Deine Hermine ist verboten hübsch. Ein echtes Vollweib, wenn du mich fragst.“ Natürlich hatte ich Vika nicht gefragt. Ich war froh, dem drohenden Inferno enthemmter Frauen knapp entgangen zu sein, Borsig, der gute alte Borsig hatte mir mit seinem Erscheinen den Allerwertesten gerettet. Seinen eigenen drückte er gerade auf die Luxusklobrille im Badezimmer, Vika und ich räsonierten derweil still vor uns hin und zerkauten den Borsigschen Erlebnisbericht in verzehrfähige Häppchen, die sich aber, so sehr wir uns auch anstrengten, nicht schlucken ließen.
Der kleine Mann und Detektiv wider Willen war Schnüffel und seinem Begleiter unauffällig gefolgt. „Liegt mir irgendwie im Blut“, belobhudelte er sich selbst und sah beifallheischend zu Vika, die ihn natürlich von Anfang an schwerstens beeindruckt hatte. „Das Dumme war nur: meine Blase. Die hat gedrückt wie Sau und ich brauchte schon eine fast übermenschliche Willenskraft, um diesem Bedürfnis nicht nachzugeben.“ Ich schickte in Gedanken einen gepeinigten Blick des Fremdschämens gen Himmel. Wie der redete! „Jedenfalls“, fuhr er fort, „nahmen die beiden den Bus – ich selbstverständlich auch – und fuhren stadtauswärts. Das letzte Stück gingen sie zu Fuß, bis zu diesem Bauernhof, diesem Alternativladen.“
Genau. Das war die Verbindung. Die Landkommune Antonio Gramsci und der mehr als dubiose Detektiv Schnüffel arbeiteten zusammen. „Sie sind also rein und ich will pis... will sagen: urinieren, doch wo nur, wo nur!“ Er führte sich dabei auf wie ein italienischer Tenor, der sich gerade in einer Arie überlegt, wie er seine untreue Frau übern Jordan schicken soll. „Okay, ich hab dann äh mein Wasser an der Hauswand abgeschlagen. Besondere Gelegenheiten erfordern besondere Maßnahmen oder wie das heißt.“ Er seufzte. „Ich muss übrigens gleich wieder. Und mehr als eine Stunde warten wollte ich dort auch nicht. Der Schnüffel wär ja eh nicht mehr rausgekommen, das sagte mir mein Ermittlergen.“ Wieder beifallheischender Blick zu Vika, die nur genervt und gelangweilt nickte. „Also bin ich jetzt hier. Und jetzt muss ich schleunigst auf Toilette.“
Dort saß er nun. Wieder ein Puzzleteilchen, wieder half es uns kein Stück weiter, genauso wenig wie der Karnevalsprinz, von dem ich Vika erzählt hatte. Warum interessierte sich Günther Rath für einen Karnevalsprinzen? Auch in unserer Stadt war die Unsitte dieser Art von Belustigung verbreitet, es gab einen Karnevalsverein, diverse „Kappensitzungen“ und einen sogenannten Rosenmontagsumzug, bei dem alle zwanghaft kostümiert und ebenso fröhlich nach Bonbons und kleinen Schnapsfläschchen hechteten, die von geschmacklosen Umzugswagen geworfen wurden. Wie der aktuelle Karnevalsprinz hieß, wusste ich natürlich nicht. Vielleicht wusste es Borsig, der gerade sehr erleichtert von der Toilette kam und sich mit einem „so, ihr Lieben“ sehr dicht neben Vika auf die Couch setzte?
„Tja“, schnalzte Borsig mit der angeberischen Zunge, „weiß ich. Ihr meint den Kalle, also offiziell Karl-Heinz der Dreiunddreißigste mit seiner
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