Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
Vom Netzwerk:
„Aha“, kommentierte Hermine. „Tja“, setzte ich das Sahnehäubchen auf dieses erstaunliche Zeugnis weiblicher Kommunikation. Zwei Blicke trafen mich wie die tödlichen Alphastrahlen aus der futuristischen Waffe eines mit bösartigen Absichten auf der Erde gelandeten Außerirdischen.
    Noch nie hatte mich das Läuten eines Handys mehr erleichtert als jetzt. Vikas Handy. Sie ging ran, hörte konzentriert zu, setzte eine längere Kette von „hms“ in die Welt. Beendete das Gespräch mit „Okay, dann kommst einfach jetzt zu uns. Nee, musst nicht länger die Füße in Bauch stehen. Aber pass auf, ob dir jemand folgt.“ Sie gab dem Anrufer – unzweifelhaft Borsig – die Adresse. „Borsig“, informierte sie uns. „Er ist diesem Schnüffel gefolgt, was schwierig war, denn die sind mit dem Bus aus der Stadt gefahren. Auf irgend so einen komisch alternativen Bauernhof.“ Bei Hermine und mir klingelte es gleichzeitig. Den Bauernhof kannten wir.
    „Interessant“, fand ich es interessant und stand damit, wie mit jeder meiner bisherigen Äußerungen, ziemlich allein auf weiter Flur. Denn Hermine und Vika musterten sich weiter. Legten die zarten Falten ihrer Gesichter zu sprechenden Bildern der Süffisanz und Hochverachtung zusammen, zogen die Augenbrauen bis zur Grenze der Schwerbeleidigung hoch. „Nicht doch was zu trinken?“ Ich lernte es anscheinend nie. „NEIN!“ brüllte Hermine sensibel. Und Vika, sensationeller Weise mit Hermine einer Meinung, differenzierte: „WIR HABEN KEINEN DURST!“
    Hermine würde zu spät in die „Bauernschenke“ kommen, aber ich hatte tatsächlich dazugelernt und verkniff mir den Hinweis darauf. Irgendwo tickte eine schwere Uhr, obwohl nicht einmal eine leichte im Raum war. Spielte sich wohl in meinem Kopf ab. Die Uhr einer Zeitbombe, ticktack. Nie war mir die Aussicht, Borsig zu sehen, verlockender gewesen als jetzt, aber der Bursche ließ sich Zeit und die Uhr tickte weiter. Mein Mund war trocken, mein Hals war trocken. Sollte ich aufstehen und mir was zu trinken holen? Was würde passieren, wenn ich mich bewegte? Nichts Gutes, befürchtete ich. Bald. Die Zeitbombe. Ticktack. Erscheine, Borsig, rette mich!
     
     
    359
    Großmuschelbach, das Herz des tanzenden Volkskörpers. Ein rhythmisch zuckender Muskel, von Bässen durchpulst, von elektronischen Signalen mit Energie versorgt, die Tänzer zirkulierten wie köchelndes Blut. Kurz: Nicht zum Aushalten, wenn man selbst nicht Teil dieses vergnügungssüchtigen Leibes war.
    Sonja Weber und Kriesling-Schönefärb konnten nicht schlafen. Ohropax half nichts gegen die tieftönigen Fäuste, die einem der allgegenwärtige Bass in die Magengrube rammte. Aber Kriesling-Schönefärb hätte auch nicht schlafen können, wäre Großmuschelbach noch das völlig geräuschlose Dorf gewesen, das es bis vor wenigen Tagen für Jahrzehnte gewesen war. Sein Blut kochte auch ohne Musik, sein Herzmuskel brauchte keinen Sound, um sich in Schwerstarbeit zu verausgaben. Kriesling-Schönefärb saß am kleinen Schreibtisch am Fenster, die geheimen Papiere der Kanzlerin vor sich. Ihm war kalt. Dabei bullerte die Heizung.
    Er hatte sich Notizen gemacht, versucht, die Geschichte jener globalen Intrige zu rekonstruieren, die unaufhaltsam in die Katastrophe steuern musste. Die Bundesregierung, so viel stand fest, sah sich durch die ausweglose Lage auf dem Finanzsektor gezwungen, zu äußersten Mitteln zu greifen, das Geldwesen abzuschaffen, um die Finanzmärkte an der Wurzel aus dem Boden zu reißen, dessen Nährstoffe sie gierig saugten. Einen Plan gab es nicht, hatte es nie gegeben, das Ganze top secret, nur von einem kleinen Kreis Eingeweihter inszeniert, deren Pech es war, keine Ahnung von der Materie zu haben. Die Geheimdienste – doch, manchmal funktionierten sie sogar – hatten berichtet, es existiere eine private Gruppe, deren Ziel mit dem der Bundesregierung identisch sei. Nur die Absichten waren andere, durch und durch kriminelle. Man wollte das Geld nicht abschaffen, sondern nur für einen überschaubaren Zeitraum so verknappen, dass sein Wert ins Unermessliche steigen würde. Wenn sich dann die Geldmenge wieder erhöhte – und das würde unweigerlich eintreten, weil eine Gemeinschaft ohne Geld undenkbar schien – würde man die gehorteten Geldmengen mit höchstem Gewinn auf den Markt werfen. Dahinter steckte ein gerüttelt Maß Psychologie, man operierte mit der Panik.
    Die Absichten der Bundesregierung, die davon auch die EU, selbst die

Weitere Kostenlose Bücher