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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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frag, ob gestern Abend etwas in der Bauernschenke vorgefallen ist. Und...“ Sie sah mir tief in die Augen: „Überzeug sie davon, dass du nur auf sie stehst.“ Beugte sich vor, gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, winkte mir noch zu, ich winkte zurück. Sah ihr nach, wie sie in einer Seitenstraße verschwand.
    Und was tat ich dann? Kaffee trinken. Eines dieser vielen altmodischen, gemütlichen, halbdunklen Cafés, die Tag und Nacht von älteren Damen okkupiert werden, eine echte Protestbewegung, „hinweg mit Sahnetorte und Käsekuchen, packen wir es an!“. Ich bestellte mir – natürlich nur aus Solidarität mit den Wutbürgern – ein Stück Schwarzwälderkirsch, die Süße explodierte ohne Vorwarnung in meinem Mund und zerfetzte alle Gedanken an Blut und Tod. Ich schwamm auf den seichten Wellen des Geplappers und Geklappers, ich lag auf dem Rücken des Genusses und starrte in den kaffeedunklen Himmel. Das war pure Poesie. Das hieß: Ich hatte Angst.
    Vor was? Egal. Vor allem. Vor der geballten Ladung Frohsinn, die mich heute Abend erwartete, wenn ich diesem merkwürdigen Karnevalsprinzen auf den Zahn fühlen würde. Vor dem, was dieser Konrad, so er endlich aus seinem Schockzustand heraus wäre, zu erzählen hätte, Geschichten von Mord und Totschlag. Davon hatte ich mehr als genug. Ich machte mich auf zu Hermines Wohnung und überlegte mir, wie ich sie unauffällig betreten konnte. Ging nicht, keine Chance. Anrufen. Sie war sofort dran. Ein wenig reserviert, das merkte ich sofort.
    „Eigentlich hab ich keine Zeit. Nein, in die Wohnung kannst nicht kommen. Okay, ich könnte mal versuchen, aber keine Ahnung wann. Ja, in Ordnung, ruf später noch mal an. Ja klar, ich liebe dich auch.“
    Wenn es im Januar draußen kalt ist: kein Problem. Wenn dazu noch innere Kälte kommt: dann fröstelt es mich. Ich lief zurück zur Russenwohnung, legte mich aufs Bett und dachte nach. Ich tat also nichts.
     
     
    376
    Der Kerl sah fürchterlich aus in seiner dreckigen Unterwäsche, mit seinem Turban aus Mullbinden, zwischen denen das graue gesplisste Haar fettig strähnte. Man konnte Mitleid entwickeln oder Abscheu, aber die beiden liegen sowieso dichter beieinander als man gemeinhin denkt. Jedenfalls lag dieser Konrad auf Irmis Wohnzimmercouch und stierte der fatamorganischen Oxana entgegen.
    „Er guckt immer so“, sagte Irmi, „aber reden tut er nix. Total geschockt, Amnesie, andererseits ist das eh ein naturgesetzliches Weichei.“ Oxana trat näher, sagte „Hallo“, Konrad antwortete nicht. Seine Gedanken waren gerade weit weg, er sah durch die Kasachin hindurch. Und wo war Oxana in Gedanken? Vika. Gleich würden sie sich begegnen. Keine Ahnung, wie das enden würde. Komm, Oxana, mach dir nichts vor, du weißt genau, wo das enden wird. Vorsorglich hatte sie schon ihr Bett frisch bezogen.
    „Erinnern Sie sich?“ fragte Oxana, „vergangene Nacht, heute Morgen? Das Blut, dieser Hof, die anderen?“ Sie hätte ihm noch 1000 Fragen mehr stellen können, Konrad würde keine einzige davon beantworten. Es war hoffnungslos.
    „Mir sagt er auch nix. Manchmal murmelt er einzelne Wörter, man kann sie kaum verstehen und einen Sinn ergeben sie auch nicht. Wachstum, Meer, Wasser, Fische. So ein Zeug halt": Sie gingen in die Küche und tranken Kaffee. Sie konnten nur hoffen, dass Konrad reden würde. Aber Oxana war nicht bei der Sache. Sie hatte sich dieses verbotene Kleidchen angezogen, in dem sie jämmerlich fror, ein Traum aus dank Elastan wie auf die Haut geklebtem Stoff, der alles betonte und nichts verbarg. Irmi hatte gelächelt, als sie Oxana geöffnet, diese ihr mitgeteilt hatte, gleich komme Vika vorbei. Eine alte Lehrerin konnte eins und eins zusammenzählen.
    Dann kam Vika. Etwas verspätet, auch sie hatte sich umgezogen, trug jetzt diese dunkelblaue Lederhose wie Emma Peel damals. Sie begrüßten sich ohne Berührungen, nickten sich nur zu, sagten „hi“. Alles darüber hinaus hätte den Tatbestand der vollzogenen gleichgeschlechtlichen Vereinigung erfüllt. Wieder zählte Irmi eins und eins zusammen. Sie würde ihnen selbstverständlich ihr Schlafzimmer zur Verfügung stellen, wenn die beiden Mädels nicht würden warten können.
    Erneut wurde Konrad besichtigt. „Armer Kerl“, stellte Vika fest, „habt ihr einen Arzt gerufen?“ „Nee“, antwortete Irmi, „der ist Altachtundsechziger, dem haben sie schon so oft was aufs Hirn gegeben, der braucht das. Arzt kann da nicht mehr helfen. Höchstens ne

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