Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
Vom Netzwerk:
existentialistisch wie bei Sartre? Ich kanns auch lesen, als wärens die letzten Worte vor dem Orgasmus von Lady Gaga.“
    „Nein, ich möchte, dass du es wie ein Plüschosterhase liest. So mit kieksender Blechstimme. Hast doch bestimmt drauf.“ Piazzamonte versuchte sich an einem misstrauischen Blinzeln, mit dem er bei jedem Casting durchgefallen wäre. „Was für ne Sauerei läuft hier eigentlich, mein Lieber? Plüschosterhase? Blech? Ich kenn ja viele Sauereien, aber die ist mir neu. Irgendwas mit Gangbang? Oder die Kinderschokoladennummer?“
    „Die was?“ Der Schauspieler seufzte ein wenig zu theatralisch und schüttelte den Kopf. „Die Kinderschokoladennummer. Lutschen, bis das Weiße kommt. Nie gehört?“ Ich fühlte, wie mir schlecht wurde, riss mich zusammen und schaute zu, wie sich Piazzamonte räusperte und seine Finger an zahlreichen Knöpfen drehen ließ.
    Sein erster Versuch, den blechernen Plüschosterhasen zu geben, klang so, als würde man Dieter Bohlen in einer rostigen Badewanne ertränken. Was zwar eine angenehme Vorstellung und gewiss ein Segen für die Menschheit wäre, meiner Vision aber nicht entsprach. Ich schüttelte den Kopf und befahl „noch einmal“. Eines musste man Gianluigi zugestehen: Er verstand es, sich in die Rolle hineinzusteigern. Wenn mich nicht alles täuscht, heißt das in der Fachsprache „method acting“. Mache die Figur, die du darzustellen hast, zu einem Teil deiner Biografie, bemächtige dich ihrer, werde eins mit ihr. Und vergiss den ganzen Schmonzes wieder, sobald du deine erste tragende Rolle in einer Nachmittagssoap bei ARD oder ZDF hast.
    Der sechste Versuch kam dem Gewünschten schon sehr nahe. Ich glich Gianluigis Version mit dem Original in meinem Gedächtnis ab, monierte noch, das Blecherne klinge ein wenig zu sehr nach Zink oder Aluminium, Piazzamonte schloss die Augen und stieg in eine imaginäre Welt aus Blech, die er mit einigen Traumata aus frühkindlicher Zeit heraufbeschwor, um voll und ganz drin aufzugehen. Der siebte Versuch war perfekt und ich  nickte zufrieden.
    „Du bist ein perverses Schwein“, stellte Piazzamonte fest und spülte sich das Blech mit Büchsenbier aus der Kehle. „Diesen Scheißsatz werde ich nie vergessen, er wird mich verfolgen und ich werde nicht wissen, was er bedeutet. Was bedeutet er?“
    „Ist Hochliteratur, kann alles bedeuten, Interpretationssache. Stammt aus einem Krimi“, antwortete ich. „Hm“, machte Piazzamonte. „Dann frage ich einen Krimikritiker. Die Krimikritik ist übrigens der Orgasmus des kleinen Mannes, wusstest du das schon?“ Es war mir neu, ich nickte dennoch. Und fragte, ganz spontan: „Kennst du eigentlich diesen Lothar mit dem unaussprechlichen Nachnamen? Den Typen, der ermordet wurde, den mit der Eventfirma?“ Jetzt lachte Piazzamonte. „Kennen? Den kennt jeder. War ein Kunde von mir. So pervers wie der kannst du gar nicht werden.“

 
    100
    Am Anfang eines jeglichen Rausches steht eine Schnapsidee. Dies mag ein weiser und wahrer Satz sein, aber er kann nicht ganz stimmen, denn sonst befände ich mich in einem permanenten Zustand vollkommenen Besoffenseins. Und mancher Schnapsidee folgt die Ernüchterung auf dem Fuß, da bleibt fürs Berauschen keine Zeit. Denken Sie nur an all die Leute, die aus der FAZ abschreiben und dann ihre Doktorarbeit daraus bauen, so viele Vornamen kann einer gar nicht haben, als dass einem so etwas durchginge. Aber was rede ich da wieder für einen Unsinn. Genau: Ich wollte nur sagen, dass Gianluigi Piazzamonte nichts von italienischen Weinen hielt, dafür aber eine Menge von deutschem Büchsenbier und Unmengen davon zur Verfügung stellte, als er mir von Lothar erzählte, „der hätte unserem Silvio auch blutjunge Jungfrauen zugeführt, so einer war das.“
    Gianluigi war hörbar in seinem Element. Jeder Schluck Bier, der mageneinwärts strömte, löste eine in die Gegenrichtung strebende Wanderbewegung von Wörtern aus, die schließlich, nur noch notdürftig durch Basisgrammatik miteinander verknüpft, als hyperventilierende Satzdarsteller über die Klippen der Lippen kippten, wenn ich das in meiner momentanen Unzurechnungsfähigkeit so formulieren darf. Dass ich nach Bierdose Nummer zehn auch eine Rede Thomas Manns höchstens noch als das Gelalle eines volltrunkenen Scheißeschippers ästimiert hätte, sei der Vollständigkeit halber erwähnt.
    „Ich bestell mal zwei Pizzen, du bist der Kunde, du zahlst“. Sprach’s und tippte wildgeworden in die

Weitere Kostenlose Bücher