Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
aufgefallen, dass Sonja Weber und ihr Doktor mit dem Transporter weggefahren sind? Wie sind sie zur Kathedrale gekommen? Sonja könnte gelaufen sein, aber der Doktor wohl kaum, oder? Wo ist das Auto, mit dem sie hingefahren sind, jetzt? Und wer hat sie vielleicht hingefahren und warum ist keine der Wirtsschwestern erschienen, um den Transporter abzuholen oder war doch eine da?“
Man muss sich das vorstellen. Von vier äußeren Seiten prasselten Fragen auf mich, ob ich eine Diebstahlsversicherung für meinen neuen Laptop wolle oder eine Datenrückholgarantie für 198 Euro und wie ich mir als erkennbarer Advanced-User das Multitasking-Handling einzurichten gedenke. Selbst vollständig nüchtern wäre ich nicht in der Lage gewesen, vernünftige Antworten zu geben, aber ich war verdammt noch mal nicht nüchtern und zudem quasselte eine komische Heilige da oben auch nichts weiter als Fragen, auf die ich keine Antworten fand.
Obwohl, das musste ich zugeben: Alle Fragen waren gerechtfertigt. Das Detektivbüro Moritz Klein, alle Angestellten inklusive, hatte einen wichtigen Umstand ganz einfach ignoriert und jetzt war es zu spät. Ich war ein miserabler Ermittler, so wie ich ein miserabler Käufer von Laptops sein musste, wenn ich in die grinsenden Visagen des Verkäuferpacks schaute, das dabei war, einem Deppen alles an Ladenhütern anzudrehen, was das Lager hergab. So ist das. Du wirst im Leben immer beschissen. Von jedem, glaubs nur, aber besonders von dir selbst. Ich war in einer Stimmung, wo ich am liebsten von all meinen irdischen Ämtern zurückgetreten wäre, um das Atmen mit sofortiger Wirkung einzustellen.
„Packen Sie alles ein, ich trags dann selber zur Kasse“, beendete ich schließlich das wirre Verkaufsgespräch und schaute beschämt zu Boden, der sich natürlich drehte. Nichts wie raus hier.
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Als Vermieter kann man heute den Leuten alles zumuten. Schwamm an den Wänden, Schimmel im Klo, zehn Monatsmieten Kaution, die du beim Auszug garantiert nicht mehr siehst, eines aber nicht mehr: eine Wohnung ohne Wlan. Wlan ist eine Steckdose in der Wand, Kabel rein und willkommen im Internet, Vorkenntnisse nicht vonnöten, nein, nur hinderlich, denn das Internet selbst wurde von intelligenten Idioten erfunden, um idiotische Intelligenz weltweit zu verbreiten.
Piazzamonte hatte die Audiodatei tatsächlich geschickt. Ich klickte sie an, hörte und war zufrieden, sie klang nicht genauso wie das Osterhasenoriginal, war aber als Kopie unverächtlich, ein ministrales Plagiat, könnte man sagen. Um an Lydia Gebhardts Telefonnummer zu gelangen, genügte wie schon vor Hunderten von Jahren das bekannte gelbe Buch. Einmal nur klingelte es, dann wurde abgehoben und auf tief Weiblich „hallo?“ gefragt. Ich aktivierte die Tondatei und so lauschten wir gemeinsam dem Osterhasen.
Er hatte kaum sein Sprüchlein aufgesagt, als es auch schon „Jetzt gehen Sie zu weit, Regitz!“ vom anderen Ende der Leitung zischte, „Lonig versteht überhaupt keinen Spaß, Sie sind tot, tot, tot.“ Aufgelegt.
Das also war meine geniale kleine Idee. Gebhardt und kriminellen Anhang etwas aufscheuchen, aus der Ruhe bringen, selber cool bleiben und die Fäden in der Hand halten, weiter hatte ich noch nicht gedacht, und das rächte sich. Jetzt war ich aufgescheucht und aus der Ruhe gebracht, cool nur der Schauer, der über meinen Rücken lief, auch hielt ich keine Fäden in der Hand, allenfalls eine Zündschnur. Regitz? Lonig? Ich beschloss, vorerst nicht weiter zu spekulieren, was ich da angerichtet hatte. Notierte mir die Adresse der Gebhardts – selbstverständlich im glamourösesten Viertel der Stadt, wo sogar die Gartenzwerge über einen Zweitwagen verfügen – sah mir zwecks Ablenkung ein paar hübsche Fotos der alten bretonischen Korsarenstadt St. Malo an, wo Regitz sich herumtrieb und nicht ahnte, in welche Kacke ich ihn gerade hatte treten lassen. Eigentlich war er ja selber schuld. Der Gedanke gefiel mir ausnehmend gut, ich packte ihn in Watte und verbarrikadierte damit die Tür zu meinem schlechten Gewissen.
Bei Facebook, wo ich kurz vorbeischaute, waren mir inzwischen neun „Freunde“ zugelaufen, die eines gemeinsam hatten: Ich kannte sie nicht. Vier von ihnen waren Krimiautoren, die, weil ich mit Marxer „befreundet“ war, mich für einen einflussreichen Verleger oder Kritiker halten mochten und sogleich den letzten Output ihres Putouts bewarben, wobei sie mich mit Du ansprachen, wie es unter alten Freunden
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