Die Ehre der Slawen
diese aus seinen Augen verschwunden.
Sie hatte sich hinter den Fässern zu Boden gesetzt, ihre Knie mit den Armen umschlungen und darauf den Kopf gebettet. Niemand sollte mit ansehen, wie heiße Tränen aus ihren Augen rannen.
*
Kapitel 31
Vorbei war die Hoffnung auf ein Leben in Ruhe und Frieden. Der Traum von einem fruchtbaren Familienband zwischen einem deutschen und einem slawischen Fürstenhaus war geplatzt wie eine Seifenblase. Viel zu lange schon hatte das Land, jenseits von Havel und Elbe, die Demütigungen und Plünderungen ertragen müssen. Nun war die Zeit endgültig reif, um Vergeltung zu üben. Niemals wieder sollten fremde Glaubensverkünder im Namen ihres Christen Jesus die heiligen Götter verspotten und verleugnen dürfen. Durch den unverzeihlichen Bruch einer Abmachung war eine Lawine losgetreten worden, die in der Geschichte der Slawen ihresgleichen sucht.
Geeint unter dem Banner des Greifes und eingeschworen im heiligen Bund der Liutizen erhoben sich sämtliche Stämme der Billunger- und der Nordmark wie ein einziger Mann. Mehr als dreißig Stammesverbände, jeweils mehrere hundert Mann stark, vereinten sich im Süden ihres Landes zu einer überwältigenden Streitmacht. Was ihnen an Kampferfahrung fehlte, das wollten sie durch Mut und Tapferkeit ersetzen. Echtes Kriegsgeschirr, woran immer noch ein erheblicher Mangel bestand, hofften sie, auf den Schlachtfeldern zu erobern. Ihr Ehrgefühl war derart tief verletzt, dass ihre Bereitschaft zur Vergebung und Milde kaum mehr existierte. Genauso, wie sie es von den Kriegsknechten der Deutschen am eigenen Leibe erfahren hatten, genauso wollten sie nun zurückschlagen.
Am 29.06. des Jahres 983 überschritt das Heer der Slawen die Grenze und eroberte die Garnison Havelberg in einem einzigen Ansturm. Die Besatzung, die einen kurzen, jedoch sinnlosen Widerstand leistete, fiel bis auf den letzten Mann. Mit dem Havelberger Bischofssitz verfuhren die Slawen, wie sie es gelobt hatten. Er wurde niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht.
Nur drei Tage später standen sie vor den Toren einer der derzeit wichtigsten Städte Europas: Magdeburg, Erzdiözese und Kaiserstadt, Geburtsort von Otto dem Großen.
Und in dieser Stadt residierte auch die verlogenste und wortbrüchigste Wurzel allen großen Übels: der verhasste Markgraf Dietrich.
Als die Glocken des Doms in aller Früh zur Prim läuteten, war dies gleichbedeutend mit dem Zeichen zum Angriff. Ungezählte Kriegshörner übertönten die Gesänge der beginnenden Morgenandacht und das gleich darauf einsetzende Kampfgeschrei rings um die Stadtmauern versetzte sämtliche Bewohner in Angst und Schrecken.
Noch am selben Tage, dem 02.07.983, gelang es den Slawen die Verteidigungslinie zu durchbrechen und die Tore zu öffnen. Der Kampf wurde mit aller unerbittlichen Härte geführt und die Verluste auf beiden Seiten waren schrecklich. Markgraf Dietrich, der sich in Abwesenheit des Kaisers zum obersten Kriegsherren aufgeschwungen hatte, erkannte sehr schnell, dass er Magdeburg nicht mehr länger halten konnte. Gemeinsam mit dem Bischof Folkmar und seinen engsten Getreuen bereitete er ihre Flucht vor, als die Slawenkrieger wie eine alles überrollende Flut in die Stadt strömten.
Bevor er jedoch Magdeburg verließ, rief er einen seiner kampferprobtesten Vasallen zu sich und befahl ihm mit gehetzter Stimme: »Mein getreuer Udo, auf Eure Schultern will ich nun die schwere Bürde des Kriegsherrn legen. Während ich mich auf den Weg machen will, um Waffenhilfe herbeizuschaffen, soll es in Euren Händen liegen, dieses Heidenpack wieder aus der Stadt zu jagen. Wenn Ihr tapfer und mutig genug seid, so wird es Euch gelingen. Dann sollt Ihr nach meiner Rückkehr reich belohnt werden. Gelingt es Euch aber nicht, dann seid Ihr es nicht wert, noch länger ein Edler genannt zu werden. Eilet nun also geschwind und schart die tapfersten Männer um Euch. Schlagt diese gottlosen Bauerntölpel zurück und jagt sie dorthin, woher sie gekommen sind. Es soll nur eine kurze Weile dauern, bis ich mit Verstärkung wieder zur Stelle bin.«
Noch bevor der Ritter irgendwelche Einwände erheben konnte, gab Dietrich bereits seinem Pferd kraftvoll die Sporen und galoppierte mit seinen Gefolgsleuten zum letzten noch freiem Stadttor hinaus. Zurück blieb nur noch eine trockene Staubfahne, die träge durch die Straße zog.
Udo und seine altbekannten Schlachtkumpanen waren also dazu verdammt worden,
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