Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten
die Sache schon in den Griff kriegen. Heute oder morgen gibt es ganz sicher irgendwo einen Streit. Vielleicht unter den Spielern in Asjûtis Café oder unter den Junkies in Samalûtis Haschischhöhle. Er überzeugte sich selbst von der Notwendigkeit, nach Einbruch der Dunkelheit dort hinzugehen. Auch in der Syrerspelunke wollte er vorbeischauen. Dabei fiel immer etwas ab.
Der alte Geheimpolizist dachte auch, dieser Hurenbock weiss doch genau, dass die Unzucht dieser Tage im Darrâsaviertel so rar geworden ist wie grünes Laub. Er spuckte nochmals aus und verfluchte die Mädchen von Darrâsa, die in andere Stadtteile, nach Agûsa und nach Mohandessîn, weggezogen waren, zu Europäern und Golfarabern und in möblierte Wohnungen.
Es zog. Er schlug den Kragen seines groben Mantels hochbis an die Ohren, schob seine Hand in die Tasche und suchte nach dem Kloss. Als er das Zellophanpapier, in das er eingewickelt war, zwischen seinen Fingern knistern spürte, ging er weiter.
3. Der alte Geheimpolizist hält einen Schwatz mit der Frau, der Mutter des Jungen
Als er zu der Stelle kam, wo die Frau auf dem Gras sass, flüsterte er erleichtert: »Wer sucht, der findet« und wünschte ihr einen guten Abend. Sie lächelte ihm misstrauisch-freundlich zu.
Die Sonne wanderte langsam zum Horizont. Zurück liess sie nur einen Rest des Lichtes, gerade genug, um alles in Schemen zu verwandeln und den Einbruch des Abends anzukündigen. Der Puls, er lärmte in den Adern der Frau, die auf dem Gras sass, und meldete Gefahr. Das war deutlich im Ton ihrer Stimme, als sie den Gruss erwiderte.
Der Geheimpolizist drehte sich in aller Ruhe eine Zigarette, nachdem er den Haschischkloss mit den Zähnen in kleine Stückchen zerbissen hatte, die er in den Zigarettentabak mischte. Er machte sich daran, sie anzuzünden, und folgte dabei mit dem Blick der aufflackernden Flamme, das brennende Streichholz in der Hand; als es dann ausgegangen war, warf er es fort.
Er zog lange an der Zigarette und sog den Rauch tief ein, dann blies er ihn durch die Nase wieder aus, in den weiten Raum, und mit einem nochmaligen Guten Abend reichte er ihr die Zigarette.
Die Furcht im Herzen der Frau, der Mutter des Jungen, wuchs noch, während sie mit ihren dünnen Lippenmehrmals kurz und hektisch an der Zigarette zog. Ob so ein Mann etwas Gutes bringt, fragte sie sich.
Der Rauch hatte zu wirken begonnen. Sie riss ihre Augen weit auf, so dass sich ihre Pupillen noch näher kamen als sonst. Ihr kräftiges Nasenbein schien wie eine Trennwand dazwischen. Auch der alte Geheimpolizist dachte etwas. Also wirklich, wenn sie nur nicht so schielen würde und nicht so eine gelbe Haut hätte, dann könnte ich ihr ja Unzucht anhängen. Aber diese Sexbombe da! Warum ist sie nicht wenigstens ein bisschen molliger? Nein, so gibt sie für Unzucht gar nichts her, und dieser Kerl da an seinem Schreibtisch würde sich niemals überzeugen lassen. So, wie sie ist, kann sie keinem noch so Ausgehungerten Hilfe leisten, nein, die kann keinem den Durst löschen. Also gut – Bettelei, und damit Gott befohlen!
Währenddessen war sie damit beschäftigt, einem gelben Blatt nachzulaufen, das auf das spärliche Gras gefallen war und das der Wind wegtrug. Sie kehrte zurück, um daraus ein weiteres Tütchen zu rollen, das sie zu den anderen legte, überlegte einen Augenblick und dachte dann, ja, wenn ich doch nur einen solchen Mann wie diesen Korporal da hätte, der immer am Monatsanfang den Lohn heranschafft, dem ich neun Söhne zur Welt bringe, von denen einer Kaufmann, einer Klempner, einer Scharfschütze wird. Ich würde bei ihm bleiben wie alle anderen Frauen bei ihren Männern. Am Morgen würde ich mit den Nachbarinnen plaudern, am Mittag kochen und am Abend in ein bequemes Bett liegen. Und weiter: nun, ich weiss ja, warum dieser Hurensohn jetzt kommt. Aber diesmal werd ich ihm zeigen, mit wem er es zu tun hat.
Er indessen, der alte Geheimpolizist, murmelte etwas von einer Beschwerde zwischen seinen Zähnen hervor und verlangte von ihr die Zigarette zurück, die schon halb geraucht war. »Die Welt steht völlig auf dem Kopf in unseren Tagen, liebe Schwester«, bemerkte er dazu. »Ich sag dir, die Welt steht völlig auf dem Kopf. Doch Gott wird schon Sorge tragen. Die Teuerung wird immer schlimmer. Der Dreckskerl, der in seinem Büro hinter dem Schreibtisch hockt, glaubt doch allen Ernstes, ich sei in der Lage, die Erde zu spalten und Melonen daraus hervorzuzaubern oder diesen Stern da vom
Weitere Kostenlose Bücher