Die einzige Zeugin
auf der Seite. Die Kätzchen tranken eifrig. Lauren betrachtete sie und war plötzlich gerührt. Die Katze war einfach in ihr Leben hereinspaziert und jetzt gehörte sie zu ihnen. Am Anfang hatte sie ihnen tote Mäuse beschert, kleine graue Knäuel, die leblos auf der Terrasse lagen. Jetzt verdankten sie ihr die kleinen Kätzchen, allesamt Weibchen. Jessica hatte ihnen königliche Namen gegeben: Victoria, Alexandra und Juliana.
»Warst du bei Donny?«, fragte Jessica mit bemüht ruhiger Stimme.
»Natürlich nicht!«, sagte Lauren. Sie löste den Blick von den Kätzchen und drehte sich um. »Ich war nur spazieren. Ich bin …«
Sie war drauf und dran zu sagen, dass sie zum Haus in der Hazelwood Road gegangen war, doch sie unterbrach sich. Jessicas Mund war verzerrt und ihre Augen sahen gehetzt umher. Sie stand still, und trotzdem war sie ständig in Bewegung, krampfte ihre Hände zusammen, umklammerte ihre Schultern und rieb ihren Nacken.
»Komm her, Jessie«, sagte Lauren und streckte die Arme aus, um ihre Tante an sich zu ziehen.
Jessica taumelte auf sie zu, ihr Kopf legte sich auf Laurens feuchtes Haar. Lauren konnte ihren warmen Körper spüren, unruhig und kantig. Wie hatte sich ihre süße, fröhliche Tante in so ein Häufchen Elend verwandeln können?
Donny hatte sie verlassen.
Lauren strich Jessica über den Rücken. Sie war größer und kräftiger als ihre Tante. Sie zog sie aus der Küche hinüber ins Wohnzimmer aufs Sofa. Sie wartete, bis das Weinen aufhörte.
»Wie kann er uns das antun?«, flüsterte Jessica und wischte sich die Nase an ihrem T-Shirt ab.
»Ich weiß es nicht.«
»Wir waren elf Jahre zusammen. Wie kann er sich in eine andere verlieben? Wie kann er das tun?«
»Er hat es nicht gewollt, Jess, das weißt du.«
»Warum hat er uns den ganzen Weg aus St. Agnes hierher geholt, wenn er sowieso eine andere hatte? Warum hat er uns nicht gleich da bleiben lassen?«
»Zu dem Zeitpunkt hatte es noch nicht angefangen«, sagte Lauren mit langsamer, fester Stimme.
»Er sagt, er liebt sie!«
»Gib ihm Zeit. Er denkt, dass er sie liebt. Irgendwann wird er genug von ihr haben. Er wird zurückkommen.«
»Glaubst du das wirklich?«
»Natürlich. Er hat dich elf Jahre lang geliebt. Das hier sind erst ein paar Monate. Er ist einfach verknallt.«
»Er sagt, mit ihr fühlt er sich wieder jung! Ich verstehe das nicht. Ich habe ihn doch nicht alt gemacht!«
»Er ist fünfunddreißig. Das ist eine Krise.«
»Das ging schon die ganze Zeit über, während wir in St. Agnes unsere Sachen gepackt haben.«
»Da hatte es noch nicht angefangen.«
»Warum musste er gerade an dieser Schule einen Job bekommen? Warum musste er sie kennenlernen?«
»Lass ihm Zeit, irgendwann hat er genug von ihr. Er wird zurückkommen.«
»Immer hältst du zu ihm.«
»Tu ich nicht. Aber ich finde, dass du dich beruhigen solltest.«
»So war es schon immer. Du und Donny gegen mich. Dabei gehört er nicht mal zu deiner Familie. Du bist ja nicht mal mit ihm verwandt!«
Lauren zuckte zusammen. Jessica sah sie erschrocken an und hielt sich die Hand vor den Mund.
»Oh Mann! Ich bin so schrecklich. Wie konnte ich das nur sagen? Kein Wunder, dass er mich hasst. Als Nächstes hasst du mich auch.«
Lauren seufzte und drückte Jessica an sich.
»Hör auf, es reicht. Niemand hasst dich. Und wir stehen das durch. Versuch, dich zusammenzureißen, und gib Donny ein bisschen Zeit – dann wird er in ein paar Wochen oder Monaten die Nase voll von ihr haben und zurückkommen.«
Eine Minute lang sagte niemand etwas. Lauren fühlte, wie Jessicas Schultern lockerer wurden und ihr Körper sich entspannte.
»Meinst du?«
Lauren nickte. Donny würde zu ihnen zurückkommen.
Oder etwa nicht?
Als Jessica im Bett war und Lauren sicher sein konnte, dass sie schlief, ging sie ins Gästezimmer, Donnys Büro, das im Moment eine Art Rumpelkammer war. Auf dem Boden standen ein Koffer und zwei gepackte Taschen. Donnys Sachen, die darauf warteten, abgeholt und in die Wohnung gebracht zu werden, in der er jetzt mit seiner neuen Freundin lebte. Lauren hockte sich auf den Boden. Sie zog den Reißverschluss einer Tasche auf. Hosen und Schuhe, alles eilig durcheinander hineingeworfen.
Das passte gar nicht zu Donny. Er war so ordentlich und organisiert. In St. Agnes, wo sich noch der Großteil seiner Sachen befand, waren seine Bücher und CDs in alphabetischer Reihenfolge sortiert, seine Anzüge hingen gebügelt im Schrank, seine Musikzeitschriften
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