Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
führten und führen, verdienen Schutz. Stets sind natürliche Prozesse, kulturelle Eingriffe sowie die entsprechenden Interpretationen und Ideen zu bedenken, wenn es um den Schutz von Landschaft geht, nie nur deren «Natur».
Die intersubjektive Einigung über einen Referenzzustand von Landschaft ist keineswegs einfach. Vielleicht ist es sogar eine Utopie, dies als die Basis für die Entwicklung einer Zukunft von Landschaften anzusehen. Doch es gibt keine Alternative dazu. Als Konsequenz daraus bewahrt man den immateriellen Teil von Landschaft: Man bringt Menschen dazu, ihre Ansichten vonLandschaften einander mitzuteilen. Dies ist ein wichtiger Teil von alltäglicher Kommunikation: Treffpunkte für gemeinsame Wege werden vereinbart, Erinnerungen, Sagen, Märchen ausgetauscht oder die besonderen Stimmungen kommuniziert, die man mit einzelnen Landschaften verbindet.
Landschaft ist zwar eine besonders charakterisierte Umwelt außerhalb der Menschen, entsteht aber in ihnen, «im Kopf», als das, was nicht nur in der Umgebung gesehen, sondern auf dessen Grundlage erkannt und geistig konstruiert wird. Das kann die Gestalt eines Bildes, einer Landkarte, einer Erzählung oder Beschreibung oder auch lediglich einer Vorstellung annehmen, die Grundlage für eine neue Interpretation wird.
In allen ihren drei Dimensionen – Natur, Kultur und Idee –betrachtet, kann Landschaft zum Thema einer Wissenschaft werden, der Landschaftswissenschaft.
Die Analyse einzelner Elemente ist der eine wichtige Bestandteil der Landschaftswissenschaft. Mindestens ebenso wichtig ist die Synthese, die Aufdeckung von Zusammenhängen, die sich aus der Interpretation der Einzelheiten ergibt. Nur mit der Absicht, zu einer Synthese zu kommen, kann man – einer bekannten Definition von Landschaft durch Alexander von Humboldt [1] folgend –den «Totaleindruck einer Gegend» in sich aufnehmen.
Bei der landschaftswissenschaftlichen Synthese steht das, was bereits geschehen ist, und das, was im Moment abläuft oder zu erkennen ist, im Zentrum; denn nur dafür gibt es klare Evidenzen. Konkrete Einzelheiten werden betrachtet, aber nicht simuliert. Auch die Modellierung zukünftiger Entwicklungen von Landschaft ist zunächst nicht das zentrale Anliegen von Landschaftswissenschaft. Das Modellieren oder Planen von Landschaften sollte stets auf einem vorausgegangenen Prozess des Erfassens oder Analysierens von Strukturen und des Aufdeckens von Zusammenhängen aufbauen, die zwischen ihnen evident werden.
Landschaft stand und steht immer in einem sich mit der Zeit wandelnden systemischen Zusammenhang mit der Landnutzung, auf die politische, wirtschaftliche und soziokulturelle Gegebenheiten einwirken
(vgl. Abb. 10–1)
. Modellierungen führen lediglich zuVermutungen, wie sich Landschaften unter derzeitigen systemischen Bedingungen weiterentwickeln würden, nicht aber zu Aussagen darüber, wie dies unter dem Einfluss sich wandelnder Komponenten von Systemen vor sich gehen könnte. Diese hängen von neuen, auch unerwarteten Entwicklungen von Natur, aber auch von Veränderungen der Kultur, von technischen und gesellschaftlichen Innovationen in der Zukunft ab, deren Charakter man in der Gegenwart noch nicht kennen kann. Allerdings lassen sich auf einer Argumentationsbasis, wie sie die Landschaftwissenschaft bereitstellt, Anforderungen an ein künftiges System von Landschaft formulieren.
Landschaftswissenschaft und Landschaftsplanung
Die Beschäftigung mit Landschaftswissenschaft steht als logischer Schritt vor jeglicher Landschaftsplanung. Prognosen zur Landschaftentwicklung und -planung können auf Erkenntnissen der Landschaftswissenschaft aufbauen. Landschaftswissenschaft ist dabei aber von der Landschafts- und Raumplanung [2] und deren Theorien abzugrenzen. Während in der Landschaftswissenschaft derzeit bestehende Evidenzen und Zusammenhänge sowie deren historisches Werden untersucht und in eine logische Folge oder eine Kausalkette im Sinne einer Geschichte, einer «Story», gebracht werden, geht es in der Landschaftsplanung um Ideen für die Zukunft, die vor allem aus gesellschaftlichen Bedürfnissen und dem derzeitigen Zustand der Landschaft, weniger aus deren Geschichte abgeleitet werden.
Insbesondere der ihrem derzeitigen Zustand vorausgegangenen Entwicklung wurde bei Planung von Landschaft immer wieder zu wenig Beachtung geschenkt. Man machte sich nur selten klar, was in einer Landschaft dauerhaft besteht und was einem steten Wandel unterworfen ist,
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