Die Entscheidung der Hebamme
Ausnahme machen. Deine Dreistigkeit imponiert mir. Und dein Kleid verrät mir, dass deine bisherigen Liebhaber mehr als zufrieden mit dir gewesen sein müssen.«
Fragend sah er zu Elmar. »Seit wann ist es den Huren eigentlich erlaubt, sich herauszuputzen wie eine Dame von Stand?«
»Das Hurenhaus findet Ihr am westlichen Dorfausgang«, entgegnete Marthe, so gelassen sie konnte. Sie wusste, dass Albrecht sich ein Vergnügen daraus machte, mit ihr Katz und Maus zu spielen. »Ich bin Marthe, die Frau von Ritter Christian.«
Mit kaltem Lächeln lehnte sich Albrecht zurück.
»Oh, dann verzeiht meinen Irrtum! Habt ihr gehört?«, fragte er in die Runde seiner Begleiter. »Sie ist gar keine Hure.« Während die anderen lachten, wandte sich Albrecht wieder ihr zu, diesmal mit harter Stimme. »Und was war so dringend, um Euch davon abzuhalten, mich bei meiner Ankunft zu begrüßen, wie es sich geziemt?«
»Eine Entbindung, junger Herr. Meine Stieftochter hat ihr erstes Kind zur Welt gebracht.«
»Redet mich gefälligst mit ›Herr‹ oder ›Graf‹ an, nicht mit ›junger Herr‹!«, fuhr Albrecht sie an. »Das ist wohl angemessen. Ich bin kein Kind mehr. Und ich
bin
jetzt hier der Herr.«
»Ja, Herr. Wie Ihr wünscht, Herr.«
Zufrieden lehnte sich Albrecht zurück und biss in eine Gänsekeule. Während er sich das Fett mit dem Handrücken vom Mund wischte, musterte er sie erneut von unten nach oben.
»Eine Entbindung, sagt Ihr. Ihr habt also lieber einem Bauernbalg auf die Welt geholfen, statt vor mir niederzuknien, während mir Euer Gemahl die Schlüssel für die Burg übergab.«
Als Marthe nichts entgegnete – Johanna würde in Albrechts Augen nie etwas anderes als eine Bauerntochter sein –, deutete er mit dem Fleischbrocken auf sie. »Jetzt erinnere ich mich. Seid Ihr nicht dieses Kräuterweiblein, das meinen innig geliebten Bruder geheilt hat, als er noch ein rotzverschmierter kleiner Bengel auf meines Vaters Burg war?«
Seine hämischen Worte brachten die anderen erneut zum Lachen.
»Euer Vater empfand es als angemessen, mich zum Dank in den Stand einer Edelfreien zu erheben«, entgegnete Marthe gelassen. Ihr war klar, dies alles gehörte zu Albrechts Spiel. Sie durfte sich jetzt keine Blöße geben, wollte sie sich auf der Burg behaupten.
»Es würde mich sehr interessieren, welche Art Dienste er damit belohnte«, fragte Albrecht grinsend zur Belustigung seiner Begleiter. »Jetzt verstehe ich auch, warum sich mein Bruder hierherverkrochen hat. Wenn ihn ein Wehwehchen befällt, kann er sich gleich trösten und kurieren lassen.«
Albrecht nahm einen kräftigen Bissen, dann warf er die Keule in hohem Bogen in die Binsen. Sofort stürzten ein paar der Hunde darauf zu, die seine Leute mitgebracht hatten, und begannen, darum zu raufen. Wehmütig dachte Marthe, dass sie eigens für die Gäste das Stroh auf dem Hallenboden hatte erneuern lassen, weil zumindest die niederen Begleiter und die Reisigen in Albrechts Diensten darauf schlafen würden. Nun waren sie selbst schuld, wenn sie inmitten des Abfalls liegen und von Flöhen zerbissen würden.
Solange sie in diesen Dingen noch das Sagen auf der Burg besaß, hatten Hunde in der Halle nichts zu suchen gehabt und wurde der Unrat nicht einfach so herumgeworfen.
Ein Knappe hielt Albrecht eine Schüssel Wasser hin, damit er seine fettigen Hände hineintauchen konnte. Doch dieser ignorierte ihn und wischte sich die Hände am Tischtuch ab, das Mechthild für die angesehensten Gäste hatte auflegen lassen. Dabei sah er Marthe kalt lächelnd in die Augen.
Jeder von ihnen wusste, dass er sie mit diesem klaren Verstoß gegen höfisches Benehmen provozieren wollte. Dann jedoch sah er, dass es ihm einer seiner rangniederen Begleiter gleichtat. Angewidert ließ er das Tischtuch los und raunzte: »Benimm dich gefälligst in meiner Gegenwart, sonst lasse ich dich mit dem Vieh im Stall fressen!«
Augenblicklich erstarrte der Übeltäter und murmelte eine Entschuldigung.
Marthe zog ihre eigenen Schlüsse aus dem Zwischenfall und wartete, ob Albrecht sie wegschickte, sie aufforderte, an der Tafel Platz zu nehmen, oder was er sonst mit ihr vorhatte.
Nach einem Moment dröhnenden Schweigens sagte er: »Ihr habt uns also warten lassen, weil Ihr angeblich als Wehmutter und Heilkundige gebraucht wurdet. Da ist es nur recht und billig, dass Ihr uns eine Probe Eures Könnens vorlegt. Nun, eine Wehmutter wird niemand von uns benötigen, höchstens Wilhelm, der wird immer
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