Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
mit rauhen Grannen an den Pelz der Säugetiere anhängen, oder endlich, dass sie mit Flügeln oder Fiedern ebenso verschiedenartig in Gestalt als zierlich im Bau versehen sind, so dass sie von jedem Windhauch verweht werden. Ich will noch ein anderes Beispiel anführen; denn der Gegenstand, dass derselbe Zweck durch die verschiedenartigsten Mittel erreicht wird, ist wohl des Nachdenkens wert. Einige Schriftsteller behaupten, dass die organischen Wesen nur der blossen Verschiedenheit wegen, beinahe wie Spielsachen in einem Laden, auf vielfache Weisen gebildet worden sind; eine solche Ansicht von der Natur ist indes unhaltbar. Bei getrennt geschlechtlichen Pflanzen und bei solchen, welche zwar Hermaphroditen sind, wo aber doch der Pollen nicht von selbst auf die Narbe fällt, ist zur Befruchtung irgend eine Hilfe nötig. Bei mehreren Arten wird dies dadurch bewirkt, dass die leichten und nicht zusammenhängenden Pollenkörner bloss zufällig vom Wind auf die Narbe geweht werden; dies ist der denkbar einfachste Plan. Ein fast eben so einfacher, aber sehr verschiedener Plan ist der, dass in vielen Fällen eine symmetrische Blüte wenige Tropfen Nectar absondert und demzufolge von Insekten besucht wird; diese tragen dann den Pollen von den Antheren auf die Narbe.
Von dieser einfachen Form an bietet sich eine unerschöpfliche Zahl verschiedener Einrichtungen dar, welche alle demselben Zwecke dienen und wesentlich in derselben Weise ausgeführt sind, aber doch Veränderungen in jedem Blütenteile mit sich bringen: der Nectar wird in verschieden geformten Receptakeln angehäuft, die Staubfäden und Pistille sind vielfach modifiziert und bilden zuweilen klappenartige Einrichtungen, zuweilen sind sie in Folge von Irritabilität oder Elasticität genau abgepasster Bewegungen fähig. Von solchen Bildungen kommen wir dann zu einer solchen Höhe vollendeter Anpassung, wie Crüger neuerdings bei Coryanthes beschrieben hat. Bei dieser Orchidee ist das Labellum oder die Unterlippe zu einem großen eimerartigen Gefäße ausgehöhlt, in welches fortwährend aus zwei über ihm stehenden absondernden Hörnern Tropfen fast reinen Wassers herabfallen; ist der Eimer halb voll, so fließt das Wasser durch einen Abguß an der einen Seite ab. Der Basalteil des Labellum krümmt sich über den Eimer und ist selbst kammerartig ausgehöhlt mit zwei seitlichen Eingängen; innerhalb dieser Kammern finden sich einige merkwürdige fleischige Leisten. Der genialste Mensch hätte, wenn er nicht Zeuge dessen war, was hier vorgeht, sich nicht vorstellen können, welchem Zwecke alle diese Teile dienten. Crüger sah aber, wie Mengen von Hummeln die riesigen Blüten dieser Orchideen am frühen Morgen besuchten, nicht um Nectar zu saugen, sondern um die fleischigen Leisten in der Kammer oberhalb des Eimers abzunagen. Dabei stießen sie einander häufig in den Eimer; dadurch wurden ihre Flügel naß, so dass sie nicht fliegen konnten, sondern durch den vom Ausguß gebildeten Gang kriechen mussten. Crüger hat eine förmliche Prozession von Hummeln aus ihrem unfreiwilligen Bade kriechen sehen. Der Gang ist eng und vom Säulchen bedeckt, so dass eine Hummel, wenn sie sich durchzwängt, erst ihren Rücken am klebrigen Stigma und dann an den Klebdrüsen der Pollenmassen reibt. Die Pollenmassen werden dadurch an den Rücken der ersten Hummeln angeklebt, welche zufällig durch den Gang einer kürzlich entfalteten Blüte kriechen, und werden fortgetragen. Crüger hat mir eine Blüte in Spiritus geschickt mit einer Hummel, welche, getötet ehe sie ganz durch den Gang gekrochen war, eine Pollenmasse an ihrem Rücken befestigt hatte. Fliegt die so ausgestattete Hummel nach einer andern Blüte oder ein zweites Mal nach derselben, und wird von ihren Genossen in den Eimer gestoßen, so kommt notwendig, wenn sie nun durch den Gang kriecht, zuerst die Pollenmasse mit dem klebrigen Stigma in Contakt und die Blüte wird befruchtet. Und jetzt erst sehen wir den vollen Nutzen aller Teile der Blüte, der wasserabsondernden Hörner, des halb mit Wasser erfüllten Eimers ein, welcher die Hummeln am Fortfliegen hindert und so zwingt durch den Ausguß zu kriechen und sich an den passend gestellten klebrigen Pollenmassen und der klebrigen Narbe zu reiben.
Der Bau der Blüte einer andern nahe verwandten Orchidee, Catasetum , ist davon weit verschieden, doch dient er demselben Ende und ist gleich merkwürdig. Wie bei Coryanthes besuchen auch diese Blüten die Bienen, um das Labellum
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