Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Titel: Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Darwin
Vom Netzwerk:
vielen anderen ist die Schönheit dem Anscheine nach gänzlich eine Folge der Symmetrie des Wachstums. Die Blüten rechnet man zu den schönsten Erzeugnissen der Natur, sie sind indessen im Contrast zu den grünen Blättern auffallend und in Folge davon gleichzeitig schön gemacht geworden, damit sie leicht von Insekten bemerkt würden. Ich bin zu diesem Schlusse gelangt, weil ich es als eine unwandelbare Regel erkannte, dass, wenn eine Blüte durch den Wind befruchtet wird, sie nie eine lebhaft gefärbte Corolle hat. Ferner bringen mehrere Pflanzen gewöhnlich zwei Arten von Blüten hervor; die eine Art offen und gefärbt, um Insekten anzulocken, die andere geschlossen, nicht gefärbt, und ohne Nectar, die nie von Insekten besucht wird. Wir können hieraus schließen, dass, wenn Insekten niemals an der Erdoberfläche existiert hätten, die Vegetation nicht mit schönen Blüten geziert worden wäre, sondern nur solche armselige Blüten erzeugt hätte, wie sie jetzt unsere Tannen, Eichen, Nußbäume, Eschen, Gräser, Spinat, Ampfer und Nesseln tragen, welche sämtlich durch die Tätigkeit des Windes befruchtet werden. Ein ähnliches Raisonnement passt auch auf die verschiedenen Arten von Früchten; dass eine reife Erdbeere oder Kirsche für das Auge eben so angenehm ist wie für den Gaumen, dass die lebhaft gefärbte Frucht des Spindelbaums und die scharlachroten Beeren der Stechpalme schön sind, wird Jedermann zugeben. Diese Schönheit dient aber nur dazu, Vögel und andere Tiere dazu zu bewegen, diese Früchte zu fressen und dadurch die Samen zu verbreiten. Daß dies der Fall ist schließe ich, weil ich bis jetzt keine Ausnahme von der Regel gefunden habe, dass die in Früchten irgend welcher Art (d. h. in einer fleischigen oder breiigen Hülle) eingeschlossenen Samen, wenn die Frucht irgend glänzend gefärbt oder nur auffallend, weiß oder schwarz, ist, stets auf diese Weise verbreitet werden.
    Auf der andern Seite gebe ich gern zu, dass eine große Anzahl männlicher Tiere, wie alle unsere prächtigen Vögel, manche Fische, Reptilien und Säugetiere und eine Schaar prachtvoll gefärbter Schmetterlinge der Schönheit wegen schön geworden sind; dies ist aber nicht zum Vergnügen des Menschen bewirkt worden, sondern durch geschlechtliche Zuchtwahl, d. h. es sind beständig die schöneren Männchen von den Weibchen vorgezogen worden. Dasselbe gilt auch von dem Gesang der Vögel. Aus allem diesem können wir schließen, dass ein ähnlicher Geschmack für schöne Farben und musikalische Töne sich durch einen großen Teil des Tierreichs hindurchzieht. Wo das Weibchen ebenso schön gefärbt ist, wie das Männchen, was bei Vögeln und Schmetterlingen nicht selten der Fall ist, da liegt die Ursache dem Anscheine nach darin, dass die durch sexuelle Zuchtwahl erlangten Farben auf beide Geschlechter, statt nur auf das Männchen, vererbt worden sind. Wie das Gefühl der Schönheit in seiner einfachsten Form, – d. h. die Empfindung einer eigentümlichen Art von Vergnügen an gewissen Farben, Formen und Lauten – sich zuerst im Geiste des Menschen und der niederen Tiere entwickelt hat, ist ein sehr dunkler Gegenstand. Dieselbe Schwierigkeit bietet sich dar, wenn wir untersuchen, woher es kommt, dass gewisse Geschmäcke und Gerüche Vergnügen machen und andere Misvergnügen. In allen diesen Fällen scheint die Gewöhnung in einer gewissen Ausdehnung in’s Spiel gekommen zu sein; es muss aber auch irgend eine fundamentale Ursache in der Constitution des Nervensystems bei jeder Spezies vorhanden sein.
    Natürliche Zuchtwahl kann unmöglich irgend eine Abänderung in irgend einer Spezies bewirken, welche nur einer anderen Spezies zum ausschließlichen Vorteile gereichte, obwohl in der ganzen Natur eine Spezies ohne Unterlaß von der Organisation einer andern Nutzen und Vorteil zieht. Aber natürliche Zuchtwahl kann auch oft hervorbringen und bringt oft in Wirklichkeit solche Gebilde hervor, die anderen Tieren zum unmittelbaren Nachteil gereichen, wie wir im Giftzahne der Kreuzotter und in der Legeröhre des Ichneumon sehen, welcher mit deren Hilfe seine Eier in den Körper anderer lebenden Insekten einführt. Ließe sich beweisen, dass irgend ein Teil der Organisation einer Spezies zum ausschließlichen Besten einer anderen Spezies gebildet worden sei, so wäre meine Theorie vernichtet, weil eine solche Bildung nicht durch natürliche Zuchtwahl bewirkt werden kann. Obwohl in naturhistorischen Schriften vielerlei Behauptungen

Weitere Kostenlose Bücher