Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
Reihen von Tatsachen scheinen durch ein gemeinsames, aber unbekanntes Band mit einander verkettet, welches mit dem Lebensprincipe wesentlich zusammenhängt; das Prinzip ist dies, dass das Leben, wie Herbert Spencer bemerkt hat, von der beständigen Wirkung und Gegenwirkung verschiedener Kräfte abhängt oder dass es in einer solchen besteht, welche wie überall in der Natur stets nach Gleichgewicht strebt; wird dies Streben durch irgend eine Veränderung leicht gestört, so gewinnen die Lebenskräfte wieder an Stärke.
Wechselseitiger Dimorphismus und Trimorphismus
Dieser Gegenstand mag hier kurz erörtert werden; wir werden sehen, dass er ein ziemliches Licht auf die Lehre von der Bastardirung wirft. Mehrere zu verschiedenen Ordnungen gehörende Pflanzen bieten zwei, in ungefähr gleicher Zahl zusammen vorkommende Formen dar, welche in keiner andern Beziehung, nur in ihren Reproduktionsorganen verschieden sind; die eine Form hat ein langes Pistill und kurze Staubfäden, die andere ein kurzes Pistill mit langen Staubfäden, beide mit verschieden großen Pollenkörnern. Bei trimorphen Pflanzen sind drei Formen vorhanden, die gleicher Weise in der Länge ihrer Pistille und Staubfäden, in der Größe und Farbe ihrer Pollenkörner und in einigen andern Beziehungen verschieden sind; und da es in jeder dieser drei Formen zwei Sorten Staubfäden gibt, so sind zusammen sechs Arten von Staubfäden und drei Arten Pistille vorhanden. Diese Organe sind in ihrer Länge einander so proportionirt, dass in je zwei dieser Formen die Hälfte der Staubfäden einer jeden in gleicher Höhe mit dem Stigma der dritten Form steht. Nun habe ich gezeigt, und das Resultat haben andere Beobachter bestätigt, dass es, um vollständige Fruchtbarkeit bei diesen Pflanzen zu erreichen, nötig ist, die Narbe der einen Form mit Pollen aus den Staubfäden der correspondirenden Höhe in der andern Form zu befruchten. So sind bei dimorphen Arten zwei Begattungen, die man legitime nennen kann, völlig fruchtbar, und zwei, welche man illegitim nennen kann, mehr oder weniger unfruchtbar. Bei trimorphen Arten sind sechs Begattungen legitim oder vollständig fruchtbar, zwölf sind illegitim oder mehr oder weniger unfruchtbar.
Die Unfruchtbarkeit, welche bei verschiedenen dimorphen und trimorphen Pflanzen nach illegitimer Befruchtung beobachtet wird, d. h. wenn sie mit Pollen aus Staubfäden befruchtet werden, die in ihrer Höhe nicht dem Pistill entsprechen, ist dem Grade nach sehr verschieden bis zu absoluter und äußerster Sterilität, genau in derselben Art, wie sie beim Kreuzen verschiedener Arten vorkömmt. Wie der Grad der Sterilität im letztern Falle in einem hervorragenden Grade davon abhängt, ob die Lebensbedingungen mehr oder weniger günstig sind, so habe ich es auch bei illegitimen Begattungen gefunden. Es ist bekannt, dass, wenn Pollen einer verschiedenen Art auf die Narbe einer Blüte, und später selbst nach einem beträchtlichen Zwischenraum ihr eigener Pollen auf dieselbe Narbe gebracht wird, dessen Wirkung so stark überwiegend ist, dass er den Effect des fremden Pollens gewöhnlich vernichtet; dasselbe ist der Fall mit dem Pollen der verschiedenen Formen derselben Art: legitimer Pollen ist stark überwiegend über illegitimen, wenn beide auf dieselbe Narbe gebracht werden. Ich bestätigte dies dadurch, dass ich mehrere Blüten erst illegitim und vierundzwanzig Stunden darauf legitim mit Pollen einer eigentümlich gefärbten Varietät befruchtete; alle Sämlinge waren ähnlich gefärbt. Dies zeigt, dass der, wenn auch vierundzwanzig Stunden später aufgetragene legitime Pollen die Wirksamkeit des vorher aufgetragenen illegitimen Pollens gänzlich zerstört oder verhindert hatte. Wie ferner bei dem Anstellen wechselseitiger Kreuzungen zwischen zwei Spezies zuweilen eine große Verschiedenheit im Resultat auftritt, so kommt auch etwas Analoges bei trimorphen Pflanzen vor. So wurde z. B. die Form mit mittellangem Griffel von Lythrum salicaria in größter Leichtigkeit von dem Pollen aus den längeren Staubfäden der kurzgriffligen Form illegitim befruchtet und ergab viele Samenkörner; die letztere Form aber ergab nicht ein einziges Samenkorn, wenn sie mit Pollen aus den längeren Staubfäden der mittelgriffligen Form befruchtet wurde.
In all’ diesen Beziehungen, sowie in andern, welche noch hätten angeführt werden können, verhalten sich die verschiedenen Formen einer und derselben unzweifelhaften Art nach illegitimer Begattung
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