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Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Titel: Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Darwin
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für die Klassification sind; und doch wird Niemand behaupten wollen, dass die Fühler in diesen zwei Gruppen derselben Ordnung von ungleichem physiologischen Werte seien. So ließen sich noch Beispiele beliebiger Zahl von der veränderlichen Wichtigkeit desselben wesentlichen Organes für die Klassification innerhalb derselben Gruppe von Organismen anführen.
    Es wird ferner Niemand behaupten, rudimentäre oder verkümmerte Organe wären von hoher physiologischer Wichtigkeit oder von vitaler Bedeutung, und doch gibt es ohne Zweifel Organe, welche in diesem Zustande für die Klassification einen großen Wert haben. So bestreitet Niemand, dass die Zahnrudimente im Oberkiefer junger Wiederkäuer so wie gewisse Knochenrudimente in den Füßen sehr nützlich sind, um die nahe Verwandtschaft der Wiederkäuer mit den Dickhäutern zu beweisen. Und so bestand auch Robert Brown streng auf der hohen Bedeutung, welche die Stellung der verkümmerten Blumen der Gräser für ihre Klassification haben.
    Dagegen lässt sich eine Menge von Fällen nachweisen, wo Charaktere an Organen von sehr unbedeutender physiologischer Wichtigkeit allgemein für sehr nützlich zur Bestimmung ganzer Gruppen gelten. So ist z. B. der Umstand, ob eine offene Communication zwischen der Nasenhöhle und der Mundhöhle vorhanden ist, nach R. Owen der einzige unbedingte Unterschied zwischen Reptilien und Fischen, und eben so wichtig ist die Einbiegung des Unterkieferwinkels bei den Beuteltieren, die verschiedene Zusammenfaltungsweise der Flügel bei den Insekten, die blosse Farbe bei gewissen Algen, die Behaarung gewisser Blütenteile bei den Gräsern, die Art der Hautbedeckung, wie Haar- oder Federkleid bei den Wirbeltierklassen. Hätte der Ornitorhynchus ein Feder- statt ein Haargewand, so würde dieser äußere unwesentlich scheinende Charakter vielleicht von manchen Naturforschern als ein wichtiges Hilfsmittel zur Bestimmung des Verwandtschaftsgrades dieses sonderbaren Geschöpfes den Vögeln gegenüber angesehen worden sein.
    Die Wichtigkeit an sich gleichgültiger Charaktere für die Klassification hängt hauptsächlich von ihrer Correlation zu manchen anderen mehr oder weniger wichtigen Merkmalen ab. In der Tat ist der Wert mit einander verbundener Charaktere in der Naturgeschichte sehr augenscheinlich. Daher kann sich, wie oft bemerkt worden ist, eine Art in mehreren einzelnen Charakteren von hoher physiologischer Wichtigkeit und fast allgemeinem Übergewicht weit von ihren Verwandten entfernen und uns doch nicht in Zweifel darüber lassen, wohin sie gehört. Daher hat sich auch oft genug eine bloss auf ein einziges Merkmal, wenn gleich von höchster Bedeutung, gegründete Klassification als mangelhaft erwiesen; denn kein Teil der Organisation ist unabänderlich beständig. Die Wichtigkeit einer Verkettung von Charakteren, wenn auch keiner davon wesentlich ist, erklärt nach meiner Meinung allein den Ausspruch Linné’s, dass die Charaktere nicht das Genus machen, sondern dieses die Charaktere gibt; denn dieser Ausspruch scheint auf eine Würdigung vieler untergeordneter ähnlicher Puncte gegründet zu sein, welche für die Definition zu gering sind. Gewisse zu den Malpighiaceen gehörige Pflanzen bringen vollkommene und verkümmerte Blüten zugleich hervor; die letzten verlieren nach A. de Jussieu’s Bemerkung »die Mehrzahl der Art-, Gattungs-, Familien- und selbst Klassencharaktere und spotten mithin unserer Klassification.« Als aber Aspicarpa mehrere Jahre lang in Frankreich nur verkümmerte Blüten lieferte, welche in einer Anzahl der wichtigsten Puncte der Organisation so wunderbar von dem eigentlichen Typus der Ordnung abweichen, da erkannte doch Richard scharfsinnig genug, wie Jussieu bemerkt, dass diese Gattung unter den Malpighiaceen zurückbehalten werden müsse. Dieser Fall scheint mir den Geist wohl zu bezeichnen, in welchem unsere Klassificationen gegründet sind.
    In der Praxis bekümmern sich aber die Naturforscher nicht viel um den physiologischen Wert des Charakters, deren sie sich zur Definition einer Gruppe oder bei Einordnung einer Spezies bedienen. Wenn sie einen nahezu einförmigen und einer großen Anzahl von Formen gemeinsamen Charakter finden, der bei andern nicht vorkommt, so benutzen sie ihn als sehr wertvoll; kömmt er bei einer geringern Anzahl vor, so ist er von geringerem Werte. Zu diesem Grundsatze haben sich einige Naturforscher offen als zu dem einzig richtigen bekannt, und keiner entschiedener als der

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