Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
noch nicht entdeckt haben; – so ist es auch in Bezug auf den Raum sicherlich allgemeine Regel, dass das von einer einzelnen Art oder einer Artengruppe bewohnte Gebiet continuirlich ist, indem die allerdings nicht seltenen Ausnahmen sich, wie ich zu zeigen versucht habe, dadurch erklären, dass jene Arten in einer früheren Zeit unter abweichenden Verhältnisen oder mittelst gelegentlichen Transportes gewandert oder in den mittleren Gegenden ausgedehnter Gebiete erloschen sind. Arten und Artengruppen haben ein Maximum der Entwicklung in der Zeit wie im Raum. Artengruppen, welche in einem und demselben Zeitabschnitt oder in einem und demselben Raumbezirk zusammenleben, sind oft durch besondere auffallende, aber unbedeutende Merkmale, wie Sculptur oder Farbe, charakterisiert. Wenn wir die lange Reihe verflossener Zeitabschnitte und die mehr oder weniger weit über die Erdoberfläche verteilten zoologischen und botanischen Provinzen in’s Auge fassen, so finden wir hier wie dort, dass einige Spezies aus gewissen Klassen nur wenig von einander differiren, während andere aus andern Klassen oder auch nur andern Familien derselben Ordnung weit abweichen. In Zeit und Raum ändern die niedriger organisierten Glieder jeder Klasse gewöhnlich minder als die höhern ab; doch kommen in beiden Fällen auffallende Ausnahmen von dieser Regel vor. Nach meiner Theorie sind diese verschiedenen Beziehungen durch Zeit und Raum ganz begreiflich; denn mögen wir die Lebensformen ansehen, welche in aufeinander folgenden Zeitaltern sich verändert, oder jene, welche nach ihren Wanderungen in andere Weltgegenden abgeändert haben, in beiden Fällen sind die Formen innerhalb jeder Klasse durch das nämliche Band der gewöhnlichen Zeugung mit einander verkettet; und in beiden Fällen sind die Gesetze der Abänderung die nämlichen gewesen und sind Modifikationen durch die nämliche Kraft der natürlichen Zuchtwahl gehäuft worden.
Vierzehntes Kapitel. – Gegenseitige Verwandtschaft organischer Wesen; Morphologie; Embryologie; Rudimentäre Organe
Klassification: Unterordnung der Gruppen. — Natürliches System. — Regeln und Schwierigkeiten der Klassification erklärt aus der Theorie der Descendenz mit Modifikation. — Klassification der Varietäten. — Abstammung stets bei der Klassification benutzt. — Analoge oder Anpassungs-Charaktere. — Verwandtschaften: allgemeine, verwickelte und strahlenförmige. — Erlöschung trennt und begrenzt die Gruppen. — Morphologie: zwischen Gliedern derselben Klasse und zwischen Teilen desselben Individuum. — Embryologie: deren Gesetze daraus erklärt, dass Abänderung nicht im frühen Lebensalter eintritt, aber in correspondirendem Alter vererbt wird. — Rudimentäre Organe: ihre Entstehung erklärt. — Zusammenfassung.
Klassification
Von der frühesten Periode in der Geschichte der Erde an gleichen alle organischen Wesen einander in immer weiter abnehmendem Grade, so dass man sie in Gruppen und Untergruppen classificiren kann. Diese Gruppirung ist offenbar nicht willkürlich, wie die der Sterne zu Sternbildern. Das Dasein von Gruppen würde eine einfache Bedeutung haben, wenn eine Gruppe ausschließlich für das Wohnen auf dem Lande und eine andere für das Leben im Wasser, eine für Fleisch-, eine andere für die Pflanzennahrung u. s. w. gebildet wäre; in der Natur aber verhält sich die Sache sehr abweichend, denn es ist bekannt, wie oft sogar Glieder einer nämlichen Untergruppe verschiedene Lebensweise besitzen. Im zweiten und vierten Kapitel, über Abänderung und natürliche Zuchtwahl, habe ich zu zeigen versucht, dass es in jedem Lande die weit verbreiteten, die überall vorkommenden und gemeinen, d. h. die herrschenden, zu großen Gattungen gehörenden Arten in jeder Klasse sind, die am meisten variieren. Die so entstandenen Varietäten oder beginnenden Arten gehen endlich in neue und verschiedene Arten über, welche nach dem Vererbungsprozess geneigt sind, andere neue und herrschende Arten zu erzeugen. Demzufolge streben die Gruppen, welche jetzt groß sind und allgemein viele herrschende Arten in sich einschließen, danach, beständig an Umfang zuzunehmen. Ich habe weiter nachzuweisen gesucht, dass aus dem Streben der abändernden Nachkommen einer Art so viele und verschiedene Stellen als möglich im Haushalte der Natur einzunehmen, eine beständige Neigung zur Divergenz der Charaktere entspringt. Diese letzte Folgerung wurde unterstützt durch die Betrachtung
Weitere Kostenlose Bücher