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Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein

Titel: Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Darwin
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deren die Gruppe fähig ist; und dies beweist eben wieder, wie allgemein wenigstens einige Variation ist. Wenn er aber seine Aufmerksamkeit auf eine Klasse innerhalb eines Landes beschränkt, so wird er bald darüber im Klaren sein, wofür er die meisten dieser zweifelhaften Formen anzuschlagen habe. Er wird im Allgemeinen geneigt sein, viele Arten zu machen, weil ihm, sowie den vorhin erwähnten Tauben- oder Hühnerfreunden, die Verschiedenheiten der beständig von ihm studierten Formen sehr beträchtlich scheinen und weil er noch wenig allgemeine Kenntnis von analogen Verschiedenheiten in anderen Gruppen und anderen Ländern zur Berichtigung jener zuerst empfangenen Eindrücke besitzt. Dehnt er nun den Kreis seiner Beobachtung weiter aus, so wird er auf mehr Fälle von einiger Schwierigkeit stoßen; er wird einer großen Anzahl nahe verwandter Formen begegnen. Erweitern sich seine Erfahrungen aber noch mehr, so wird er endlich für sich selbst klar darüber werden, was Varietät und was Spezies zu nennen sei; doch wird er zu diesem Ziele nur gelangen, wenn er viel Veränderlichkeit zugibt, und er wird die Richtigkeit seiner Annahme von anderen Naturforschern oft in Zweifel gezogen sehen. Wenn er nun überdies verwandte Formen aus anderen jetzt nicht unmittelbar aneinandergrenzenden Ländern zu studieren Gelegenheit erhält, in welchem Falle er kaum hoffen darf, die Mittelglieder zwischen seinen zweifelhaften Formen zu finden, so wird er sich fast ganz auf Analogie verlassen müssen, und seine Schwierigkeiten kommen auf den Höhepunkt.
    Eine bestimmte Grenzlinie ist bis jetzt sicherlich nicht gezogen worden, weder zwischen Arten und Unterarten, d. h. solchen Formen, welche nach der Meinung einiger Naturforscher den Rang einer Spezies nahezu, aber doch nicht ganz erreichen, noch zwischen Unterarten und ausgezeichneten Varietäten, noch endlich zwischen den geringeren Varietäten und individuellen Verschiedenheiten. Diese Verschiedenheiten greifen in einer unmerklichen Reihe in einander, und eine Reihe erweckt die Vorstellung von einem wirklichen Übergang.
    Ich betrachte daher die individuellen Abweichungen, wenn schon sie für den Systematiker nur wenig Wert haben, als für uns von großer Bedeutung, weil sie den ersten Schritt zu solchen unbedeutenden Varietäten bilden, welche man in naturgeschichtlichen Werken der Erwähnung eben wert zu halten pflegt. Ich sehe ferner diejenigen Varietäten, welche etwas erheblicher und beständiger sind, als die uns zu den mehr auffälligen und bleibenderen Varietäten führende Stufe an, wie uns diese zu den Subspezies und endlich Spezies leiten. Der Übergang von einer dieser Verschiedenheitsstufen in die andere nächsthöhere mag in vielen Fällen lediglich von der Natur des Organismus und der langwährenden Einwirkung verschiedener äußeren Bedingungen, welchen derselbe ausgesetzt war, herrühren; aber in Bezug auf die bedeutungsvolleren und adaptiven Charaktere kann er der später zu erörternden accumulativen Wirkung der natürlichen Zuchtwahl und der Einwirkung des vermehrten Gebrauchs und Nichtgebrauchs von Teilen zugeschrieben werden. Ich glaube daher, dass man eine gut ausgeprägte Varietät mit Recht eine beginnende Spezies nennen kann; ob sich aber dieser Glaube rechtfertigen lasse, muss nach dem Gewicht der im Verlaufe dieses Werkes beigebrachten Tatsachen und Betrachtungen ermessen werden.
    Man hat nicht nötig, anzunehmen, dass alle Varietäten oder beginnenden Spezies sich notwendig zum Range einer Art erheben. Sie können in diesem beginnenden Zustande wieder erlöschen; oder sie können als Varietäten sehr lange Zeiträume hindurch feststehen bleiben, wie Wollaston von den Varietäten gewisser fossiler Landschneckenarten auf Madeira und Gaston De Saporta von Pflanzen gezeigt hat. Gediehe eine Varietät derartig, dass sie die elterliche Spezies an Zahl überträfe, so würde man sie für die Art und die Art für die Varietät einordnen; oder sie könnte die elterliche Art verdrängen und ausmerzen; oder endlich beide könnten neben einander fortbestehen und für unabhängige Arten gelten. Wir werden jedoch nachher auf diesen Gegenstand zurückkommen.
    Aus diesen Bemerkungen geht hervor, dass ich den Kunstausdruck »Spezies« als einen arbiträren und der Bequemlichkeit halber auf eine Reihe von einander sehr ähnlichen Individuen angewendeten betrachte, und dass er von dem Kunstausdrucke »Varietät«, welcher auf minder abweichende und noch mehr schwankende

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