Mein Weg mit Buddha
Prolog
»Das ist dein Jahr«, sagte die beste Freundin von allen mit Tränen in den Augen.
»Na ja!«, wiegelte ich ab, »es ist Juli und so prickelnd war’s bisher noch nicht.«
Tja, wenn man über den Zaun sehen könnte, wenn ich wenigstens ein kleines bisschen wüsste, was dieses Jahr noch mit mir vorhat … Ist es nach den unterirdischen Zeiten der letzten Jahre nicht endlich Zeit für den Reset-Button? Es ist schwer zu beschreiben, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass gerade ein Knoten aufgegangen war. Der interessante Theaterjob in Worms zum Beispiel, der im Frühjahr ganz unerwartet vom Himmel (oder sage ich besser: aus dem Universum?) gesegelt kam. Aus dem Nichts. Er gab mir plötzlich dieses unbestimmte Gefühl, dass da irgendjemand oder irgendetwas den Reset-Schalter gedrückt hatte.
Ich bin ein Küken oder – treffender formuliert – ein Schmetterling und sitze auf den Resten meines zerbrochenen Kokons, den Überbleibseln aus einer Zeit der Metamorphose. Beinahe ungläubig stelle ich fest, dass ich Flügel habe, auch wenn ich noch nicht den Mut habe, damit zu fliegen. Ich fühle mich in gewisser Weise neu, spüre, dass die Menschen mir anders begegnen – offener, positiver.
»Das ist dein Jahr! Sag ich doch immer. Und du wirst endlich den ganzen Müll hinter dir lassen«, setzte die beste Freundin von allen mit Nachdruck fort. Wir saßen im vornehmen Frühstücksraum des noch vornehmeren Hotel Adlon in Berlin und hatten ein herrlich spaßig-sportliches Rallye-Wochenende mit einer Flotte absoluter Traumautos und einigen kniffligen Aufgaben verbracht. »Und wenn du mich nicht verpfeifst«, fügte meine Freundin hinzu, »verrate ich dir jetzt schon etwas: Du hast die Rallye gewonnen!« Und ihre Augen schwammen vor lauter Rührung und Anteilnahme regelrecht davon. Nicht wegen der Rallye, denn die war in unserem Universum so unbedeutend wie das berühmte umgefallene Fahrrad in China.
Meine Süße hatte schon lange vor mir begriffen, dass ein ganz dunkelfinsteres Kapitel meines Lebens langsam, aber sicher zu Ende ging und dass ich dabei war, endlich ein riesen-karmisches Gepäck abzustreifen. Eine wahre Erleuchtung ihrerseits, denn meine Freundin weiß zwar, wie man Karma buchstabiert, ist aber ansonsten eher in christlichen Gefilden zu Hause. Diese kluge und hochemotionale Frau – ich war total gerührt über so viel Anteilnahme. Z8-Rallye-Sieger … Nun ja: Jeder Sieg ist ein Sieg!
Und es stimmt: In den letzten Monaten hatte es viele kleine Siege gegeben. Siege, die mir verdeutlichten, dass es richtig war, meinen Weg unbeirrt weiterzugehen und meine buddhistische Praxis fortzusetzen. Kleine Siege, die mich ermutigten, überhaupt wieder an Siege zu glauben, wieder nach draußen zu gehen, mich dem Leben zu stellen. Es hatte diese Talkshow gegeben, in der ich tiefere Einsichten in das Leben gewonnen hatte, in der ich erfahren hatte, mit welcher Größe andere Menschen mit Leid umgehen. Ein lieber Freund von mir war verstorben und sein Tod hatte mich gelehrt, dass das Wichtigste im Leben das Leben selbst ist, im Hier und Jetzt. Mir war bewusst geworden, dass es völlig albern ist, Vergangenes, Gewohntes und Liebgewonnenes um jeden Preis festhalten zu wollen. Ein gewaltiger Sieg, diese Erkenntnis, wie ich finde. Außerdem hatte ich zum Beispiel einen wundervollen Brief von einem Fan erhalten, der sich durch meinen Weg, meine buddhistische Praxis, ermutigt fühlte, sich aber die gleiche verzweifelte Frage stellte, die sich auch mir immer wieder aufdrängt: Warum man trotz der Anstrengungen in der buddhistischen Praxis so viel Mist um die Ohren gehauen bekommt. Eine junge Kollegin in Worms fragt mich Löcher in den Bauch über Buddhismus, über das »Chanten« 1 , über den Sinn, der dahintersteht, über das Lebensprinzip von Ursache und Wirkung. Dabei erkenne ich, dass ich ein Paradebeispiel für Karma und für das Prinzip von Ursache und Wirkung bin. Jacques Prévert schreibt: »Man müsste versuchen, glücklich zu sein, und sei es nur, um ein Beispiel zu geben.« Und genau das will ich tun . Es ist wohl an der Zeit, etwas weiterzugeben, jetzt, da ich langsam aufwache und beginne, mich zu begreifen, da ich anfange zu verstehen, wo ich bin, wo ich war und wohin ich mich verloren hatte. Und dabei fast vom Weg abgekommen wäre …
Es ist leicht, in eine Sackgasse zu geraten, das wird mir jeder, der schon ein bisschen gelebt hat, bestätigen. Man glaubt, sein Leben unter Kontrolle zu haben, doch
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