Die Erde
Augen, den dicken Lippen und dem frischen und rosigen Fleisch reifender Früchte. Sie war mit einem grauen Rock und einem Mieder aus schwarzer Wolle bekleidet, trug eine runde Haube auf dem Kopf und hatte eine sehr braune, von der Sonne verbrannte und vergoldete Haut.
»Aber du bist ja Vater Flieges Jüngste!« rief er aus. »Ich habe dich gar nicht wiedererkannt ... Nicht wahr, deine Schwester war Geierkopfens Liebste im letzten Frühjahr, als er zusammen mit mir auf La Borderie arbeitete?«
Sie antwortete einfach:
»Ja, ich bin Françoise ... Das ist meine Schwester Lise, die mit Vetter Geierkopf ging und die jetzt im sechsten Monat schwanger ist ... Er hat sich aus dem Staube gemacht, er ist jetzt in der Gegend von Orgères auf dem Pachthof La Chamade.«
»Ganz richtig«, sagte Jean abschließend. »Ich habe sie zusammen gesehen.«
Und einen Augenblick lang standen sie sich stumm gegenüber; und er lachte bei dem Gedanken, daß er eines Abends die beiden Verliebten hinter einem Heuschober überrascht hatte, während sie immer noch ihr zerschundenes Handgelenk benetzte, als habe die Feuchtigkeit ihrer Lippen das Brennen gelindert; die Kuh riß inzwischen in einem benachbarten Feld seelenruhig Luzernebüschel aus. Der Fuhrknecht und die Egge waren davongefahren, wobei sie einen weiten Bogen machten, um die Landstraße zu erreichen. Man hörte das Krächzen zweier Raben, die in stetem Fluge um den Kirchturm kreisten. Die drei Glockenschläge des Angelus5 klangen in der leblosen Luft.
»Wie! Schon Mittag!« rief Jean. »Beeilen wir uns!« Als er dann Coliche im Feld erblickte, fügte er hinzu: »He, deine Kuh richtet Schaden an. Wenn man sie sieht ... Warte, du Luder, ich werd dir's heimzahlen!«
»Nein, laßt nur sein«, sagte Françoise, die ihn zurückhielt. »Dies Stück gehört uns. Auf unserem Grund und Boden hat mich die Schlampe umgelegt! – Das ganze Ufer bis Rognes gehört zur Familie. Wir, wir reichen von hier bis da runter; nebenan das gehört dann unserm Onkel Fouan; dann, das Stück dahinter, der Großen, meiner Tante.« Während sie mit einer Handbewegung die Landstücken bezeichnete, hatte sie die Kuh auf den Pfad zurückgebracht. Und erst da, als sie sie wiederum am Strick hielt, fiel es ihr ein, dem jungen Mann zu danken. »Trotzdem muß ich mich bei Euch ganz schön bedanken! Also, schönen Dank, recht herzlichen Dank!«
Sie hatten auszuschreiten begonnen und folgten dem schmalen Weg, der längs der Talsenke verlief, bevor er tief in die Acker hineinführte. Der letzte Glockenschlag des Angelus war soeben verklungen, allein die Raben krächzten immer noch. Und hinter der am Strick zerrenden Kuh einhergehend, redete keiner von beiden mehr, waren sie zurückgesunken in jenes Schweigen der Bauern, die Seite an Seite Meilen zurücklegen, ohne ein Wort zu wechseln. Sie warfen einen Blick auf eine Sämaschine zu ihrer Rechten, deren Pferde in der Nähe wendeten. Der Fuhrknecht rief ihnen »Guten Tag!« zu, und sie antworteten »Guten Tag!«, im gleichen ernsten Ton. Unten, zu ihrer Linken, zogen immer noch Wägelchen die Landstraße nach Cloyes entlang, da der Markt erst um ein Uhr begann. Sie wurden derb gerüttelt auf ihren beiden Rädern, sahen wie Grashüpfer aus, waren so winzig in der Ferne, daß man die Hauben der Frauen nur noch als weißen Punkt unterscheiden konnte.
»Da unten ist ja mein Onkel Fouan mit meiner Tante Rose, die zum Notar wollen«, sagte Françoise, die Augen auf ein nußschalengroßes Gefährt gerichtet, das in mehr als zwei Kilometer Entfernung dahineilte. Sie hatte jenen raschen Matrosenblick, jenen weitreichenden Blick der Leute aus der Ebene, der, auf Einzelheiten gerichtet, imstande ist, einen Menschen oder ein Tier in dem kleinen unruhigen Fleck zu erkennen, zu dem ihre Umrisse zusammengeschrumpft sind.
»Ach ja, man hat mir davon erzählt«, erwiderte Jean. »Es ist also abgemacht, der Alte teilt seinen Besitz zwischen seiner Tochter und seinen beiden Söhnen auf?«
»Es ist abgemacht, sie treffen sich heute bei Herrn Baillehache.« Sie sah immer noch zu, wie das Wägelchen enteilte. »Uns, uns ist das Wurst, das macht uns weder fetter noch magerer ... Bloß, da ist Geierkopf. Meine Schwester denkt, daß er sie vielleicht heiratet, wenn er sein Teil bekommt.«
Jean fing an zu lachen.
»Dieser verdammte Geierkopf, wir waren Kumpels ... Ach, dem fällt es nicht gerade schwer, den Mädchen etwas vorzuschwindeln! Er braucht eben welche, er nimmt sie mit
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