Die Erfindung des Jazz im Donbass
unsere Nähe durch das bedingt ist, was wir gemeinsam durchmachen, durch unser gemeinsames Leben und die Möglichkeit eines gemeinsamen Todes. Irgendwo da beginnt die Liebe. Auch wenn nicht alle so lange überleben.
Inzwischen ist der Herbst spürbar geworden, die Sonne schafft es nicht mehr, die Bäume und Wasserbecken zu erwärmen, abends wird es richtig kalt. Ich gehe fast nicht aus dem Haus, sitze in der Küche und beobachte, wie schnell und unmerklich es jeden Abend dunkel wird. Was bleibt, ist Warten, bis alles wieder seinen Platz findet, bis die Luft sich erwärmt und das Wasser im Fluss sich mit Licht füllt, bis die Uferklippen wieder die Augen blenden, wenn sie die morgendlichen Strahlen reflektieren.
Damit schließe ich. Tausend Küsse.
P. P. S.
– Was ich euch erzählen wollte, – sagte er und schaute einen nach dem anderen aufmerksam an. – Ihr betreibt hier Landwirtschaft. In diesem Zusammenhang ist mir die Geschichte des Propheten Daniel eingefallen. Seid ihr eigentlich getauft?
– Ja, sind wir, – antworteten sie mit unsicherer Stimme.
– Das ist gut, – freute sich der Priester. – Dann werdet ihr mich verstehen. Die Sache ist die, dass wir unsere Möglichkeiten oft verkennen, Angst haben, Grenzen zu überschreiten, die wir uns selbst gesetzt haben. Aber unsere Möglichkeiten bestimmt der Herr allein, wenn wir also unser Wissen und unsere Fähigkeit gering schätzen, dann schätzen wir die Gaben Gottes gering. Drücke ich mich verständlich aus? – fragte er die Bauern.
– Ja ja, – versicherten sie.
– Gut, – freute sich der Priester wieder. Wie also war das mit Daniel? Es geschah, dass er sich als Folge gewisser Umstände, sozusagen gesellschaftlicher Umstände, in einer Löwengrube wiederfand. Mit echten, lebendigen Löwen. Sein Tod in den Fängen der Tiere schien nur eine Frage der Zeit. Er hatte keine Chance auf Rettung. Da fiel Daniel auf die Knie und wandte sich mit einem Gebet an Gott. »Herr, – sagte Daniel, – diese Löwen, die mich misstrauisch und böse anbrüllen, sind sie etwa aus freien Stücken so voller Wut und Blutrunst? Hast nicht Du ihnen Verzweiflung und Bosheit ins Herz gelegt? Folgen sie nicht Deinem Ruf, wenn sie morgens aufwachen und sich abends schlafen legen? Wen also außer Dir sollte ich um Rettung anflehen, an wen außer Dir Worte der Dankbarkeit und Verantwortung richten?« Und während er betete, schmiegten sich die Tiere an ihn und wärmten ihn mit ihren Körpern, ihre Herzen schlugen pochend, als sie den stillen Worten lauschten. Er streichelte ihre goldenen Mähnen, zupfte trockene Blätter und Grashalme aus, und als er einschlief, bewachten die Löwen seinen tiefen und ruhigen Schlaf. Was ich sagen will, – wandte sich der Priester wieder an die Bauern. – Es ist nun einmal so, dass ihr hier zusammenlebt – Getaufte und Ungetaufte, Stundisten und Bettelvolk, das nicht einmal richtig lesen kann. Ich hab hier alles Mögliche gesehen. Ihr seid hier geboren und aufgewachsen, hier sind eure Familien und euer Business. Alles richtig, alles gut. Aber ihr führt Krieg gegeneinander, ohne die Hauptsache zu verstehen – es gibt in Wirklichkeit keine Feinde unter euch. Ihr werdet gegeneinander gehetzt, man zwingt euch, aufeinander loszugehen, was euch schwächt und schutzlos macht. Denn solange ihr zusammen seid, müsst ihr nichts fürchten. Sogar wenn man euch in die Löwengrube wirft und keine Rettung zu erwarten ist. Man muss sich nur auf sich selbst und die eigene Kraft verlassen. Und nicht vergessen, rechtzeitig zu beten. Wie Daniel es getan hat. Versteht ihr? – fragte der Priester streng.
– Wir verstehen, – antworteten die Bauern gehorsam.
– Außerdem, – sagte der Priester, – haben ihm die Löwen nichts getan, weil er Feuer atmete. Die Löwen hielten das für ein Zeichen Gottes und wollten ihn daher nicht behelligen.
– Wie das? – fragten die Bauern erstaunt.
– Na so, – antwortete der Priester eifrig, bückte sich, um seine Schnürsenkel zuzubinden, erhob sich wieder, hob die Hände zum Gebet und stieß plötzlich aus seiner Kehle eine blau-rosa Flammenzunge, die alle mit heißem Feuer und süßer, unaussprechlich beklemmender Freude umfing.
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