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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Humanisten nur schwer erträglich gewesen – bis ich nach Athen ins Exil gehen musste.
    Leonardo Loredan riss mich aus meinen Erinnerungen. »Tristan, Signor Castiglione ist der Botschafter des Herzogs von Urbino in Rom und einer der berühmtesten Schriftsteller Italiens. Celestina und er haben sich vor Jahren am Hof des Herzogs von Urbino kennen gelernt«, erklärte der Doge unnötigerweise – mein Geliebter kannte das Manuskript des Cortegiano , das ich auf Baldassares Wunsch korrigierte.
    Antonio war neugierig näher getreten. Doch bevor mein Cousin meine Hand ergreifen konnte, um sie zu küssen, trat ich einen Schritt zurück. Antonio funkelte mich zornig an. Wir hassten uns mit brennender Leidenschaft. Was er mir angetan hatte, würde ich ihm niemals vergeben!
    Leonardo Loredan bemerkte den Funkenflug zwischen meinem Cousin und mir. Er legte Antonio die Hand auf die Schulter und stellte Baldassare seinen mächtigsten Gegner vor.
    »Signor Castiglione, es ist mir eine Freude, Euch mit Antonio Tron, dem Prokurator von San Marco, bekannt zu machen. Die Prokuratoren sind nach dem Dogen die höchsten Würdenträger der Republik.«
    Während Baldassare sich verneigte, bot mir der Doge seine Hand, damit er mich an Bord des Bucintoro führen konnte. An Leonardo Loredans Arm schritt ich die Planke hinauf an Bord der Staatsgaleere.
    Vergoldete Skulpturen, die die Herrschaft des Dogen über das Meer verherrlichen sollten, zierten die Längsseiten der prunkvollen Galeere oberhalb der langen Reihe der rot lackierten Ruder. Dazwischen leuchteten Meerjungfrauen, Seepferdchen und springende Delfine im von den Wellen funkelnd reflektierten Sonnenlicht. Der Bug des Schiffes war mit einer goldschimmernden Figur geschmückt, die dem Schaum der Wellen zu entsteigen schien. Das Deck war bis zum hohen Heck mit dem Thron des Dogen von einem purpurroten Baldachin beschattet. Welch eine beeindruckende Zurschaustellung venezianischer Macht, die durch die Anwesenheit von vier Admirälen und hundert Kapitänen noch unterstrichen wurde. Hundertsechzig Arbeiter aus dem Arsenale, der Flottenwerft von Venedig, ruderten am Himmelfahrtstag die Staatsgaleere.
    Der Patriarch Antonio Contarini, der den Dogen an Deck erwartete, half mir an Bord. »Celestina, Ihr seht heute wieder entzückend aus! Wie ein Engel, der von den Wolken des Himmels herabsteigt.«
    »Ich danke Eurer Eminenz«, lächelte ich. »Ich hoffe, dass Ihr mich nicht für den aufziehenden Sturm verantwortlich macht!« Ich wies auf die Gewitterwolken über dem Lido.
    Nach seiner Ernennung zum Patriarchen von Venedig hatte Antonio Contarini die Serenissima als zutiefst unmoralische und unchristliche Stadt bezeichnet. In einem Anfall von Glaubenseifer hatte er verfügt, dass die Venezianer drei Tage lang fasten sollten, um von Gott die Vergebung ihrer Sünden zu erreichen. Wehe dem, der nicht zur Beichte erschien! Contarinis Ruf zur Umkehr hatte einen ähnlichen Erfolg wie Savonarolas apokalyptische Predigten in Florenz. Die Wirkung hielt jedoch nicht wie in Florenz fünf Jahre, sondern kaum mehr als fünf Wochen an. Sollte eines Tages die von Christus verkündete Gottesherrschaft doch noch über die Welt hereinbrechen, würde sie Venedig als letzte Stadt erreichen – laut Contarinis zornigen Worten erst lange nach Sodom und Gomorrha.
    Der Patriarch verzog keine Miene. »Nicht für dieses Unwetter mache ich Euch verantwortlich! Aber sagt mir: Wann habt Ihr zuletzt einen Sturm gemieden ?«
    Er spielte auf meine Auseinandersetzung mit dem Humanisten Giovanni Montefiore in Florenz an.
    »Ich wehre mich, wenn ich angegriffen werde.«
    »Und Eure Worte reißen schmerzhafte Wunden. Giovanni Montefiore hat sich bei Giulio de’ Medici, dem Erzbischof von Florenz, bitter über Euch beklagt. Der Skandal um das ägyptische Evangelium hat in Rom hohe Wellen geschlagen. Kardinal de’ Medici hat mir geschrieben. Ich wäre glücklich, wenn Ihr Euch in Zukunft gegenüber einem angesehenen Humanisten wie Giovanni Montefiore um etwas mehr Zurückhaltung bemühen würdet …«
    »… wie es einer Frau zukommt. Das wolltet Ihr doch sagen, nicht wahr, Euer Eminenz? Sanft, gehorsam und still. Ohne eigene Meinung. Eben das ist der Grund, warum ich Humanistin geworden bin: Weil ich für meine Rechte als Frau und für meine Würde als Mensch kämpfe! Mein Vater war Mitglied im Consiglio dei Savi. Ich bin fünfundzwanzig, und wenn ich sein Sohn gewesen wäre, hätte ich nun einen Sitz im Maggior Consiglio

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