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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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! Augenblicklich verfiel Ivonne wieder in
Trance, erstarrte. Wie eine Marionette ahmte sie Lilianes Bewegungen nach, richtete
sich auf, stemmte sich vom Sofa. Willig gab sie Liliane die Schnur, nach der
sie mit den Fingern schnipste, und die sie sorgfältig und bedächtig mit ihrem
Geodreieck noch einmal nachmaß.
    Dann
schlichen sie auf Socken in den Flur.
    Während
Liliane die Schnur festband, schraubte Ivonne die Glühbirne aus der Lampe, die
direkt über dem Spiegel an der Garderobe angebracht war, und die sie dank ihrer
Größe leicht erreichen konnte. Sie knipste eine Taschenlampe an und stellte sie
leise auf den Garderobentisch neben Herrn Piskunovs karierte Schirmmütze. Ohne
ein Geräusch zu verursachen, befestigte sie die präparierte, kaputte Birne, und
auf einmal überkam sie das Gefühl, in einer Wirklichkeit zu agieren, die nicht
existierte, die nicht echt war sondern nur in Spiel das wahre Leben imitierte,
denn sie tat etwas so Ungeheuerliches, dass es nicht wirklich sein
konnte, die schreckliche, so reale Phase zwischen Planung, Proben und der
Ausführung, die nichts weiter als Warten bedeutet und sie zutiefst beunruhigt und
in Aufruhr versetzt hatte, diese Phase war endlich vorbei. Mit einem Mal
überschwemmte sie die aufgeregte Euphorie eines spielenden Kindes, das genau
weiß, dass in seinem Spiel verbotene Elemente aus der Erwachsenenwelt enthalten
waren. Lilianes Plan, ihr gemeinsamer Plan war zu albern, zu kindisch, als dass
er in der Realität bestehen würde, und Ivonne atmete frohlockend auf. Was hatte
sie als Kind nicht alles ausgetüftelt, tage- oder wochenlang, um Terese hinters
Licht zu führen und doch war sie ihr immer einen Schritt voraus gewesen (»Los,
raus aus dem Schrank, ich weiß, dass du da drin bist, und wehe ich sehe
Schokolade an deinen Fingern!« ). Auch Hubert Piskunov würde sie austricksen,
dessen war sich Ivonne plötzlich so sicher, dass sie alle Vorsicht vergaß und
vergnügt kicherte. Hubert war der Erwachsene, und sie doch nur die Kinder!
    »Pssssst,
du Trottel!«, raunte es von der Kellertreppe her, und Ivonne hielt sich, immer
noch kichernd, die Hand vor den Mund.
    Zurück
in Lilianes Zimmer sah Liliane die Freundin kopfschüttelnd an.
    »Aus
dir soll mal einer schlau werden! Liegst erst den ganzen Abend wie tot auf dem
Sofa und kriegst mitten im wichtigsten Teil einen vergnügten Lachanfall!«
    Sie
richteten ihre Betten her, bezogen das ausklappbare Sofa, zogen ihre
Frotteeschlafanzüge an und beschlossen, eine Runde Scrabble zu spielen, damit
alles so harmlos wie möglich aussah. Während sie über ein Wort mit MLFRTZL
nachsann, begann ihr Magen zu grummeln und  Ivonne machte sich über die
restlichen Brote her, die sich an den Rändern bereits wellten.
    »Irgendwann
in der nächsten Viertelstunde...«, flüsterte Liliane heiser, und Ivonne
bemerkte erstaunt, dass Lilianes Hände zitterten, als sie versuchte, mit den
Scrabblesteinen ein Wort zu legen, das noch weniger Sinn ergab als Ivonnes
Kombinationen.
    Solange
dauerte es jedoch nicht mehr.
    »Hast
du das gehört?«  
    Lilianes
Kopf fuhr ruckartig in die Höhe.
    Ivonne
hielt den Atem an und lauschte. Nichts war zu hören als der sehr gedämpfte und entfernte
Ton des Fernsehers im Wohnzimmer.
    »Da
war nichts.«, versicherte Ivonne und vertiefte sich wieder in die Buchstaben
auf ihren Steinen. Zweimal XX, da war nichts zu machen.
    »Doch,
doch, da war was, da war was, ganz bestimmt!«  
    Nervös
krampften sich Liliane Finger in ihren Frotteeärmel, sie zog ihn über die Hand
und unwillkürlich zwischen die Zähne, mahlte und kaute darauf herum, während
sie mit geweiteten Pupillen die Wand anstarrte, als könnte ihr Blick den Beton
durchdringen und sehen, was im Flur vor sich ging. Ihre Aufgeregtheit steckte
Ivonne an, und sie warf das Brett um, als sie aufsprang, blindlings in den
dunklen Abstellraum neben Lilianes Zimmer rannte, und ein Ohr an die Tür
presste, die zum Flur führte.
    Jetzt
hörte sie es auch.
    Schritte,
die mit einem seltsam schmatzenden, leisen Geräusch den Flur hinunter kamen.
    Der
Lichtschalter neben der Tür wurde betätigt und wenn keine Wand dazwischen
gewesen wäre, hätte Ivonne die Hand ausstrecken und Hubert Piskunov berühren
können. Liliane drängte sich an Ivonnes Rücken und umschlang sie von hinten,
zitternd, als ob sie draußen in der Kälte stünden, und dabei schwitzten sie
beide plötzlich aus allen Poren wie nach einem einstündigen Lauf. Ein
Knirschen, ein Knarren

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