Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm
Situation
entronnen war. Als hätten die Komantschen begonnen, sie in Streifen zu
schneiden und sie wäre entflohen, nur um von den Apatschen aufgegriffen zu
werden, die sie bis zum Hals in der Erde verbuddelten, der glühenden Sonne und
roten Mörderameisen ausgesetzt!
Ivonne
starrte auf den Fernseher, doch sie konnte die Bilder nicht erkennen, das
Flimmern der Mattscheibe verursachte ihr stechende Kopfschmerzen. Sie
versuchte, sich auf das hässlich reibende Gefühl des Cordsamtes an ihrem Rücken
zu konzentrieren, doch die Kopfschmerzen wurden schlimmer, je länger sie geradeaus
auf den Fernseher sah. Unauffällig drehte sie den Kopf und lugte zur Seite, ein
Auge von der bauchigen Seitenlehne des Sessels verdeckt. Sie sah, wie Hubert
Piskunov seine Clogs abstreifte, seinen Hintern bequem zurechtrückte und
-ruckelte und die nackten Füße auf den Glascouchtisch legte. Seine
gräulich-weißen Füße befanden sich direkt in Ivonnes Blickfeld und sie
studierte fasziniert die blauen Adern, die unter der fahlen Haut pulsierten, so
viele blaue, in wirren Linien verlaufende Stränge, wie sie sie noch nie an
einem Fuß gesehen hatte. Wie die Karte vom Amazonasgebiet, die sie in der
letzten Erdkundestunde mit schief geneigtem Kopf betrachtet hatte, während Herr
Pannerieder hinter dem sirrenden Diaprojektor stand und gelangweilt kommentierte,
Worte, die nicht zu Ivonne drangen, denn sie paddelte bereits mächtige
Flussarme hinab, sah nach rechts und links in den undurchdringlichen Dschungel,
wägte die Fahrt ab, denn: Millionen Möglichkeiten für ein Boot sich zu
verirren, vom Dschungel verschluckt zu werden!
Ivonnes
Kopfschmerzen ließen nach, während sie das winzige Amazonasforscher-Männchen
beobachtete, dass einem der teuflischen Ströme auf dem Fuß entkommen war, und
sich nun durch schwarzhaariges, krauses Gewirr auf dem Spann kämpfte, nur um plötzlich
vor einer riesigen, gelblichen, sich krümmenden Fußnagelwand zu stehen, die es
nie würde erklimmen können und: Welche Verzweiflung! Vorsichtig winkte Ivonne
dem kleinen Forscher mit seinem winzigen Tropenhelm und ließ ihren einäugigen
Blick weiterschweifen, bemerkte, dass Frau Piskunov gleichfalls die Füße auf
dem Glastisch betrachtete, sie mit einem kaum merklichen Hochziehen ihrer
Augenbrauen kommentierte, eine geschwungene Anklage, die Hubert Piskunov nicht
registrierte, da er nicht zu ihr hinübersah, obwohl er mit ihr sprach. Frau
Piskunov rettete ihr Mineralwasserglas vor den wackelnden und schwankenden
Füßen und trank in kurzen, hektischen Schlucken. Anschließend stellte sie das
Glas klirrend auf dem kleinen Beistelltisch auf ihrer Seite ab. Hubert grunzte.
»Geht
das auch leiser, oder willst du das Glas aus mir unbekannten Gründen zum
Bersten bringen?«
Die
Nachrichten begannen, und Ivonne wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem
Fernseher zu, schloss die Augen, und verschwand zu den Yanomami an den
Amazonas.
Um
viertel nach sieben wurde sie von Herrn Piskunov aufgeschreckt, der mit
durchdringender Stimme die Nachrichten für seine Frau, die nur sehr wenig von
der Weltlage verstand, auf den Punkt brachte:
»Nun
sieh ihn dir an, diesen sauberen Herrn Honecker! Der lacht sich doch über uns
hier kaputt, das sieht man dem doch an. Guck doch hin! Und was tun wir? Was?
Gehen ihm weiter um den Bart, stecken ihm große Schecks in seinen grauen
Blouson! Die werden sich noch alle wundern, diese Schlauberger aus unserer
Regierung: Reich denen aus dem Osten einen kleinen Finger und sie werden dir
den Arm mit Stiel und Stumpf ausreißen. Wirst schon sehen, was da noch alles
auf uns zukommt!«
Zur
Wettervorhersage schwang Hubert Piskunov seine Beine vom Tisch, kündigte an,
Bier zu holen, aber erst mal ordentlich Platz dafür zu schaffen und schlurfte,
die Jogginghose am Gummibund hochziehend, in Richtung Toilette.
»Pass
mal auf, was jetzt kommt! Pass auf meine Mutter auf!«, zischelte Liliane Ivonne
ins Ohr. Vorsichtig drehte sie sich um und beobachtete Frau Piskunov, verborgen
hinter ihrem Schutzwall aus Cordsamt.
Sie
sah ihrem Mann nach und lauschte einige Augenblicke mit geneigtem Kopf. Als sie
hörte, wie der Schlüssel sich im Schloss der Badezimmertür drehte, glitt ihre
Hand über die Lehne in den Übertopf einer staubigen Yuccapalme und zog eine
Flasche hervor, deren Etikett Ivonne aus den Beständen ihres Vaters kannte.
Metall schabte hastig über Glas, zitternd goss Frau Piskunov einen großen
Schluck in ihr Mineralwasser. Mit dem Rücken
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