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Die Fährte der Toten

Die Fährte der Toten

Titel: Die Fährte der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael White
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geht.'
     
    Jennifer setzt zu einer Erwiderung an, und dann erscheint in ihrem Gesicht etwas, das Lee dort nie zu sehen erwartet hätte. Nämlich Überraschung. Ob über sich selbst oder über Lees herausfordernde Art – sie weiß es nicht. Wahrscheinlich ist das auch egal.
     
    'Wenn die Winter über uns hinwegziehen, beginnen wir uns zu verlieren, Schwester. Wir verändern uns nicht mehr, und wir passen uns nicht mehr an. Wenigstens nicht mehr so wie die Menschen. Viele beneiden uns darum, aber mit den Jahren wird es ein Fluch, denn wir verlieren auch unsere Geschichte, unsere Vergangenheit, unsere Erinnerungen und letztlich auch uns selbst.
     
    Am Ende sind wir allein - mit uns, mit den Menschen, mit der Welt und ohne die Fähigkeit, uns selbst zu erklären, warum sie so ist wie sie ist. Dann werden wir zu Monstern. Weil wir nicht mehr wissen, wie es ist, ein Mensch in dieser Welt zu sein.
     
    Du hast es nicht vergessen. Deine Menschlichkeit ist dir nicht entglitten, wie so vielen anderen vor dir.'
     
    Sie nickt einmal kurz, mehr zu sich selbst als zu Lee.
     
    'Es sieht so aus, als hättest du mich mit deiner Sicht der Welt überzeugt. Touche, kleine Schwester - ich bin beeindruckt. Nach all den Jahrhunderten erteilt mir ausgerechnet ein halbstarkes Kind eine Lektion.'
     
    Lee will aufbrausen, Jennifer die Meinung sagen, was meint sie eigentlich, sie ist kein Kind mehr, keine kleine Göre, die man herumschubsen kann, keine kleine Schwester mehr – und beruhigt sich. Weil sie spürt, dass Jennifer Recht hat. Sie ist noch ein Kind. Für Jennifer und für all die anderen ihrer Art. Vielleicht ist das ja auch ihre größte Stärke. Kind zu sein in dieser Höllenwelt. Denn nur die Kinder können sich ihre Menschlichkeit bewahren.
     
    Jennifer nickt sachte.
     
    'Ja. Das ist wahr. Ganz sicher sogar.'
     
    Jennifer blickt zum Horizont, der sich langsam in einem fantastischen Rotton zu färben beginnt.
     
    'Die Sonne geht bald auf.'
     
    Jennifer lächelt, und wieder kriecht dieses Unbehagen in Lee hoch. Dieses Gefühl, dass es so viel gibt, das Jennifer weiß, von dem sie selbst keine Ahnung hat.
     
    'Ja...sieht ganz danach aus...'
     
    ‚Deine Wahl war weise, Schwester. Für manche von uns gibt es Geschenke, die nur sehr wenigen zu Teil werden. Wie es scheint, gehörst du zu diesen. Aber…du hast dir deinen Preis auch wahrlich verdient. Du kannst nun wieder unter dem Auge des Himmels wandeln, wie sonst es nur den Menschen vergönnt ist. Sei dir bewusst, dass es viele geben wird, die dir dies neiden werden.'
     
    Es scheint Lee, als wolle Jennifer noch etwas sagen, doch was auch immer es ist, es kommt ihr nicht über die Lippen. Jennifers Blick wandert in die Weite der Wüste, bevor sie sich Lee ein letztes Mal zuwendet.
     
    'Nun, ich muss gehen. Man erwartet mich, fernab von hier. Vielleicht sehen wir uns einmal wieder. Vielleicht auch nie. Wie dem auch sei, ich wünsche Euch das Glück beider Welten. Ihr werdet es brauchen.'
     
    Lee nickt wortlos. Sie sieht Jennifer noch lange nach, wie sie ohne Hast in die sich langsam verflüchtigende Dunkelheit eintaucht und schließlich aus ihren Augen verschwindet. Auf einmal fühlt sie sich unendlich müde. Was, wenn das Versprechen der Toten nur eine Lüge war? Sie wird es herausfinden, so oder so.
     
    ***
     
    Als Tanya aus ihrem Schlummer erwacht, wärmen die Strahlen der aufgehenden Sonne ihre Haut. Was nicht sein kann, da sie Lee vor sich sitzen sieht, die sich ihr zuwendet, nachdem sie zuvor den Sonnenaufgang betrachtet hat.
     
    ‘Du bist noch da‘, sagt Tanya. ‚Und du bist zurückgekommen. Du bist wirklich zurückgekommen. Für mich. Und - '
     
    Und die Sonne kann dir nichts mehr anhaben. Das muss alles ein Traum sein. Ihre Hand wandert über ihren Bauch, wo die Kugel sie getroffen hat und wo eigentlich eine hässliche Wunde sein müsste. Doch da ist nichts. Als wäre ihr nie etwas geschehen. Lee scheint es nicht zu bemerken, und wenn doch, dann lässt sie es sich nicht anmerken. Ein wunderschöner Traum, denkt Tanya. Alles wird gut.
     
    Lees Stimme bringt sie zurück in die Wirklichkeit.
     
    'Ja, ich bin zurückgekehrt. Von einem Ort, an dem es keine Dunkelheit mehr gibt.'
     
    Tanya sieht Lee fragend an, aber Lee schweigt und betrachtet das frische Grab. Ihre Blicke treffen sich, und sie schließen eine stille Übereinkunft. Tanya bricht als erste das drückende Schweigen.
     
    'Ist es vorbei?'
     
    Lee lässt ihren Blick über die Silhouette der

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