Die Fährte der Toten
Dein Blut – es wird vorzüglich schmecken. Wie das von all den anderen, die vor dir dran waren.
Weißt du, meine Art mich zu befriedigen ist etwas anders als deine, Kätzchen. Ich liebe das Gefühl von Macht. Und Töten – ist Macht. Der Sieg über einen wahren Gegner – ist Macht. Sich seine Seele aneignen – das, das ist der wahre, letzte, einzige Kick, der uns noch bleibt.
Weißt du, nicht jeder ist aus dem Holz geschnitzt, aus dem du bestehst. Dem kleinen Kyle ist die Medizin nicht bekommen, die man ihm eingeflößt hat. Im Gegensatz zu dir! Du bist mein Geschöpf. Diese kleine Ratte – er wäre kein Gegner gewesen. Du aber...' er richtet seinen Zeigefinger auf sie '...du bist jetzt soweit.
Dein Blut – es ist voll von Hass und Wut. Du lechzt danach, mich zu töten. Mich zu strafen für all das Unrecht, das dir widerfahren ist. Durch meine Hand.'
‘Du warst dabei, damals. Nicht wahr? Es war kein Zufall. Nichts davon.'
‘Du bist ein schlaues Kind. In der Tat, es ist alles so, wie du es befürchtest, Kätzchen. Alle deine schlimmsten Befürchtungen – sie sind wahr. Ja, ich habe zugesehen, wie man deine Familie abgeschlachtet hat. Ja, ich habe dich schon zu Lebzeiten zu einer Mörderin gemacht. Hat dir eigentlich schon mal jemand gesteckt, dass diese Elvis-Type nichts mit der Sache zu tun hatte? Nein? Tja, schade drum, nicht wahr? So kanns gehen. Da will man nur ein bisschen Rache üben, und dann knallt man einfach mal so einen Unschuldigen ab, der nichts weiter wollte als ein Auto kaufen.'
Frank macht eine kurze Pause, und Lee fühlt einen Stich in ihrem Herzen.
'Wir kommen vom Thema ab. Ja, ich habe deine Geliebte umgebracht. Ja, ich habe dafür gesorgt, dass alle deine Freunde nun in irgendwelchen namenlosen Gräbern liegen.
Und zu guter Letzt habe ich keinen Finger krumm gemacht, als unser aller Freund Kyle sich aufmachte, deine kleine Schnalle bei lebendigem Leibe zu begraben. Du musst zugeben, ich habe mir doch wirklich Mühe gegeben, damit die Show heute Nacht eine besondere wird, oder?'
Frank breitet die Arme aus wie ein Entertainer, der gerade die Sensation des Abends angekündigt hat, und Lee entgeht nicht, dass sich seine Fingerspitzen verformt haben.
'In der Tat. Du hast dir wirklich Mühe gegeben. Du bist sogar höchst persönlich vorbeigekommen, um das zu beenden, was du damals angefangen hast. Und du glaubst anscheinend immer noch, dass die Nummer genauso weiter laufen wird, wie du dir das wünscht. Nun, die Show wird weitergehen. Das hat sie schon immer getan. Nur nicht so, wie du dir das vorstellst, mein Lieber...'
Ihr Lächeln wird breiter, und kurz spürt sie den überwältigenden Wunsch, es jetzt, hier und sofort zu beenden, sie weiß, dass sie es kann, sie muss nur dieses Ding in ihrem Innern von der Leine lassen...
Er gehört uns. Denk an unseren Pakt.
Lee schließt für eine Sekunde die Augen, und die Welt scheint stillzustehen. Der Kampf tobt kurz und heftig, dann dreht sie sich mit einer tänzerisch anmutenden Bewegung um und tritt durch das Tor.
***
Frank starrt auf den Eingang der Kapelle, hinter dem Lee verschwunden ist wie ein Gespenst, das sich einfach in Luft auflöst. So war das nicht geplant. Aber was solls - du hast sie Ort und Zeit wählen lassen, du wolltest diesen zusätzlichen Kick, jetzt hast du ihn. Wenn sie diese Form der Inszenierung halt mag - bitte sehr, wir wollen doch kein Spielverderber sein.
Frank lockert seine zu Klauen verformten Hände, geht auf die Tür zu – und erwischt sich dabei, wie er zögert. Zum ersten Mal bekommt seine Selbstsicherheit einen spinnwebenfeinen Riss. Komm und sieh, lacht die Tür. Oder hast du etwa Angst. Frank schüttelt sich. Sicher, die Kleine ist die härteste Herausforderung, die er sich bisher geschaffen hat. Aber er ist der Meister. Und nicht sie!
Mit vorsichtigen Schritten tritt er durch das Portal. Die Zeit für Spielchen ist vorbei, denkt er. Zwei sind hindurch gegangen. Nur einer wird wieder zurückkehren.
***
Im Inneren der Kapelle ist es stockfinster, selbst für ihn. Und kalt. Zu kalt. In seinem Innern meldet sich eine zaghafte Stimme, die ihm rät, die ganze Sache für diese Nacht einfach abzublasen.
Erstaunt nimmt er zur Kenntnis, dass er Angst verspürt. Fast möchte er laut auflachen - wie lange ist es eigentlich her, dass er zum letzten Mal dieses Gefühl hatte? Dann weicht die Ungläubigkeit dem Zorn! Das kleine
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