Die Falken und das Glück - Roman
hattest. Ich freute mich für dich. Und ich machte mir Sorgen.
Du kennst ihn kaum, sagte ich, pass auf, was nach der ersten Verliebtheit kommt.
Ich kenne ihn ewig, hieltest du mir entgegen, auf ihn habe ich gewartet, seit ich mich erinnern kann.
Du hast dich bei der Gemeinde abgemeldet, du hast dich bei der irischen Botschaft angemeldet. Die Post ließest du zu mir umleiten, viel würde es nicht sein. Du fandest einen Nachmieter für deine Wohnung. Du hast deine Versicherungen gekündigt, die Altersvorsorge, Presse, Telefon- und Fernsehanschlüsse. Hier und dort stießest du auf Kopfschütteln. Ein Beamter bei der Altersversicherung sagte dir, du kämest sowieso wieder zurück.
Nein, hast du getrotzt, empört über seine Anmaßung, ich komme ganz sicher nicht zurück!
Doch, sagte der Beamte, alle kommen sie wieder.
Du riefst deine Auftraggeber an und erzähltest ihnen, du habest einen Job gefunden in Irland, du wandertest aus. Man war erstaunt, man wünschte dir alles Gute. Du sagtest, wie sehr du dich freutest, das trostlose Grau der Stadt gegen Gewitter, Stürme und Regenbogen zu tauschen.
Daniel rief mehrmals am Tag an, mir fiel auf, dass du darüber etwas ungehalten warst, du hast ins Telefon gezwitschert mit dieser sanften Vogelstimme, die ich nicht kannte, und ihn darauf hingewiesen, was du noch alles zu tun habest. Er sagte, es koste ihn Kraft, dir nicht ständig hinterherzutelefonieren, aber er verstehe, dass er dir Raum lassen müsse, dein altes Leben abzulegen. Er fragte, ob du in seinem T-Shirt schliefest, das er dir mit auf den Weg gegeben hatte.
Ja, hattest du ihm geantwortet. Aber jetzt riecht es nach mir.
Du hattest mir erzählt, wie er darauf bestanden habe, dir das T-Shirt mitzugeben, das er nachts getragen hatte.
Als wäre ich ein Säugling, der ohne den Geruch seiner Mutter nicht leben kann!, hattest du protestiert und über die hilflose Geste gelacht. Aber er hatte dich ernst angeschaut und gesagt, du seist schließlich sein Baby.
Du hattest mir geschildert, wie nervös er gewesen war, als er dich zum Flughafen gebracht hatte. Er habe in seiner Hosentasche genestelt und einen Stein gefunden, den er dir in die Hand drückte.
Ein Hexenstein, sagte er und deutete auf ein Loch im Stein. Wenn du den bei dir trägst, kann dir niemand etwas zuleide tun. Alles Böse geht durch das Loch hindurch und prallt ab.
Auch du hattest einen Glücksbringer, den du seit vielen Jahren bei dir trugst, ein kleines Ei aus weißem Stein. Wir hatten es in den Ferien gekauft, damals, als wir noch mit unseren Eltern nach Griechenland gefahren sind. Du hast es Daniel in die Hand gedrückt.
Ein Vogelei, hatte er gerufen.
Wir haben das Glück getauscht, hast du ihm ins Ohr geflüstert. Nun gehören wir zusammen.
Wir gehören sowieso zusammen, sagte er.
Ob er seinen Charme bewahrt hatte? Würde mich ein gebrochener Mann erwarten? Grau und durchscheinend vor Kummer? Würde er weinen in meinem Schoß? Wie sehr ich ihn begehrt hatte damals, als ich Markus noch nicht kannte. Zumindest in Gedanken hatte ich versucht, dich zu hintergehen. Ich hätte nicht den Hauch einer Chance gehabt, meine Annäherungsversuche waren abgeprallt wie die Brandung an den Felsen. Kurz nach meiner Rückkehr aus Irland war Markus aufgetaucht. Ich bin glücklich mit ihm, wir haben ein wunderbares Kind. Es ist alles gut gekommen.
Als wir beide verheiratet waren, blieben wir uns nahe. Wir haben jede Woche miteinander telefoniert. Auch wenn ich nur wenig Ferien hatte und die Reise mit der Fähre teuer und umständlich war, habe ich dich jedes Jahr besucht. Wenn du in der Schweiz warst, hast du bei uns auf dem Sofa geschlafen.
Und nun bist du tot.
Und ich reise allein zu Daniel, es ist die erste Reise, die ich seit der Geburt von Sarah allein antrete, ich habe deswegen sogar extra eine Pumpe gekauft, eine Woche lang habe ich Milch abgepumpt und eingefroren. Meine Brüste sind schwer und schmerzen. Mein Herz tut mir weh vor Sehnsucht nach Sarah. Ich hatte nicht im Sinn gehabt, so früh nach ihrer Geburt schon allein zu verreisen. Aber jemand muss deine Asche nach Clare Island bringen. Das muss ich tun, das bin ich dir schuldig.
Ich habe abgepumpt, und ich habe an deinen Notizen gearbeitet. Ich habe mir erlaubt, aus deinen Tagebüchern einen Text zu gestalten, ich habe versucht, ihn im Stil deiner lakonischen Erzählung zu verfassen. Und dann habe ich ihn mit deinem Text zusammengebaut, Granuaile und du, es ist ein und dieselbe Geschichte.
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