Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
so schnell sie konnte weiter. Sie betete, dass die Nachtsichtbrille bis zum Ende des Tunnels durchhalten würde.
Endlich der Ausgang. Sie warf sich gegen die Griffstange und stürmte in einen kleinen Raum, entdeckte eine Treppe, rannte hinauf und trat oben eine abgeschlossene Tür ein. Als sie endlich draußen war, zog sie ihr Handy heraus und wählte die 911.
Während das Telefon klingelte, holte Ronnie mehrmals tief Luft. Sie zitterte, das Adrenalin rauschte durch ihre Adern. Noch nie hatte die heiße, schmutzige Stadtluft ihren Lungen so gutgetan. Sie genoss jeden Atemzug.
Sie schaute über die Mall. Das Weiße Haus war trotz der späten Stunde noch angestrahlt, und sie konnte die Augen nicht abwenden. So hell, so elegant, so schön. So verflucht?
Aber würde sie dieses Gebäude jemals wieder anschauen können, ohne es im Geiste blutrot zu überziehen?
Und was war mit dem Obelisk, der sich direkt neben ihr stolz und aufrecht in die Höhe schob?
Sie drehte sich um und schaute hoch, sah die weiße Form vor dem dunklen Nachthimmel. Von unten wurde das Washington Monument hell angestrahlt, ein Symbol der Wiedergeburt, der Erneuerung und der neuen Möglichkeiten.
Ronnie dachte an die Menschen, die bei den Explosionen heruntergestürzt oder unter den Steinmassen zerquetscht worden waren. Die sie niemals wiedersehen würde.
Und zum ersten Mal seit jenem Tag verspürte sie Frieden. Dass sie genau neben diesem Monument aus der Hölle da unten aufgetaucht war, neben dem Denkmal, das fast fünf Jahre lang ihre Albträume bestimmt hatte, erschien ihr irgendwie folgerichtig. Es war fast, als wären ihr Vater und ihr Bruder Ethan zusammen mit ihr dort unten in der Finsternis gewesen, hätten sie zum Durchhalten bewegt, hätten ihr Kraft gegeben. Und sie wieder ans Licht gebracht.
»Ich liebe euch alle«, wisperte Ronnie. Sie schaute an der weißen Spitze entlang in den Nachthimmel hinauf und gestattete ihrem Herzen, sich zu verabschieden – mit Worten, die sie nie vorher hatte aussprechen können.
»Ich vermisse euch. Ich werde euch nie vergessen.«
Als Ronnie spürte, wie warme Nachtluft über ihre verschwitzte Haut strich und ihr kurzes Haar im Nacken anhob, lächelte sie und fügte noch ein Wort hinzu:
»Danke.«
Epilog
Der erste Rettungswagen nahm Zeiler mit, wenige Minuten, nachdem die Sanitäter ihn aus dem Tunnel herausgeschleppt hatten.
Kurz darauf fuhr der zweite Wagen mit Sykes und Ronnie los. Ronnie fühlte sich recht gut – obwohl sie wusste, dass sie wahrscheinlich genäht werden musste, und vielleicht brauchte sie auch einen Verband um den Brustkorb. Aber entscheidend war, dass sie Jeremy unter keinen Umständen aus den Augen lassen würde.
Als sie überlegte, was hätte passieren können, nein, was mit Sicherheit passiert wäre, wenn sie die Nachtsichtbrille nicht gefunden und Wilders nicht unmittelbar vor seinem Angriff entdeckt hätte, schauderte es Ronnie. Dass Mark überfallen worden war, hatte sie zutiefst erschüttert. Wenn Jeremy nun auch noch so übel zugerichtet worden wäre, dachte sie, wäre sie wohl nie darüber hinweggekommen.
Die Erkenntnis, dass sein Tod sie völlig vernichtet hätte, machte ihr bewusst, dass sie über Einiges nachdenken musste. Aber nicht jetzt, nicht heute Abend. Es gab so viel, wofür sie dankbar war, und was Mark anging, wollte sie weiter hoffen.
Während sie mit Blaulicht und heulender Sirene durch die Stadt fuhren, hielten Jeremy und sie sich an der Händen, die Finger fest verschränkt. Schon bevor die Rettungssanitäter Ronnie in den Tunnel gefolgt waren, um Sykes zu helfen, hatte er angefangen, die Auswirkungen des Elektroschocks abzuschütteln. Je mehr er wieder zu Kräften kam, desto zorniger machte es ihn, dass dieser Mann, der so viele Menschen auf dem Gewissen hatte, ihn so wehrlos gemacht hatte. Ronnie versuchte, ihn zu beruhigen, spielte nicht nur die überstandene Gefahr herunter, sondern auch Wilders’ Gewalttätigkeit und die Schmerzen, die er ihr zugefügt hatte. Sie hoffte nur, dass Jeremy ihr nicht angemerkt hatte, wie ihr Herz in tausend Stücke zersprungen war, als sie befürchten musste, ihn zu verlieren. Nein, das konnte sie einfach noch nicht zugeben – weder vor ihm noch vor sich selbst.
Der erste Mensch, den sie sah, als der Rettungswagen vor der Notaufnahme hielt, war Lieutenant Ambrose. »Sloan«, brüllte er, als die hintere Tür geöffnet wurde und sie heraussprang. Die helfende Hand eines Sanitäters stieß sie weg.
»Alles
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