Die Farben der Sehnsucht
die Augen zu schauen.
„Für mich ist es wichtig, dass du deinen Zorn überwindest – denn wenn du das nicht schaffst, werden meine Wunden vielleicht niemals heilen. Kannst du das tun, Mom? Kannst du es für mich tun?“
Langsam hob Margaret den Kopf. „Ich kann es versuchen“, flüsterte sie.
„Um mehr bitte ich dich nicht“, entgegnete Julia.
Mutter und Tochter umarmten sich.
Hailey entschuldigte sich und verließ kurz das Zimmer, um gleich darauf mit einer Box Papiertaschentücher zurückzukehren, die wir alle sehr gut gebrauchen konnten. Bald lagen wir uns lachend und gleichzeitig weinend in den Armen. So ist es manchmal. Lachen kann so heilsam sein wie Weinen.
Wenig später brachen Brad und ich auf, um nach Hause zu fahren. Margaret brachte uns zur Tür.
„Danke“,sagte sie leise. Aus einem Impuls heraus umarmte sie mich. Bevor sie sich von mir löste und einen Schritt zurück machte, flüsterte sie ganz nah an meinem Ohr: „Ich glaube, ich werde jetzt zurechtkommen.“
Ich wusste, dass es stimmte. Wir alle würden zurechtkommen.
36. KAPITEL
Alix Townsen d
Am Morgen des zweiten Juni wachte Alix auf und erinnerte sich daran, dass dies ihr Hochzeitstag war. Sie spürte eine tiefe Freude – doch die Freude war mit einem Gefühl schierer Panik vermischt. Die Vorstellung, vor all diesen Menschen stehen zu müssen – obwohl es ja weit weniger Gäste waren, als ursprünglich geplant –, versetzte sie in Angst und Schrecken. Aber trotz ihrer Angst wollte sie es tun. Mehr als alles andere auf der Welt. Sie liebte Jordan und wusste, dass auch er sie liebte. Dennoch hatte sie ein durchaus realistisches Bild von der Ehe. Sich zu lieben bedeutete nicht, dass es keine Konflikte und Probleme geben würde. Der Unterschied war: Wenn man sich liebte, so wie sie und Jordan es taten, konnte man Konflikte schlichten und Lösungen für die Probleme finden.
Alix war zu nervös und aufgeregt, um zu frühstücken. Um neun Uhr brachte Tammie Lee sie mit dem Wagen zu Grandma Turners Haus, in dem bereits geschäftiges Treiben herrschte.
Reese und Jacqueline hatten dem Orchester, das sie für den Empfang im Country Club engagiert hatten, wieder abgesagt. Mit der Erlaubnis von Alix und Jordan hatten sie eine fünfköpfige Band organisiert. Die Tontechniker bauten gerade die Anlage auf.
Das Zelt stand im Garten, und die Klappstühle befanden sich, fein säuberlich aufgereiht, darin. Jacqueline hatte auf weiße Holzstühle mit gepolsterten Sitzen bestanden – über die Kosten für dieses Mobiliar wollte Alix lieber nicht nachdenken. Einige Angestellte der Cateringfirma waren ebenfalls schon da und bereiteten das Essen vor. Das French Caf é hatte die Hochzeitstorte geliefert: eine traditionelle Torte, die Alix selbst gebacken und dekoriert hatte. Als Überraschung für Jacqueline hatte sie für die Glasur gesüßte Frischkäsecreme verwendet.
Susannah und Colette waren auch schon eingetroffen und kümmerten sich um die Blumenbouquets. Sie arrangierten weiße Rosen, gelbe Tausendschönchen und Farnzweige in großen Körben. Kleinere Gestecke aus denselben Blumen wurden am Ende jeder Sitzreihe befestigt. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: schlicht, aber frühlingshaft und elegant.
Als Alix Colette erblickte, rannte sie quer über den Hof zu ihr. „Ich kann nicht glauben, dass du hier bist“, murmelte Alix und umarmte sie stürmisch. Das Letzte, was Alix gehört hatte, war, dass Christian noch immer nicht gefunden worden war. Colette hatte, seit sie von seinem Verschwinden erfuhr, mit Christians Großtante zusammen fast ununterbrochen Wache gehalten. Alix hatte nicht damit gerechnet, dass sie zu ihrer Hochzeitsfeier erscheinen würde.
„Um nichts in der Welt würde ich die Feier verpassen wollen“, versicherte Colette ihr und drückte sie.
„Christian?“, flüsterte Alix.
Colette schüttelte den Kopf. „Nichts Neues.“ Sie wirkte zwar müde, schien jedoch ein gewisses Maß an innerer Ruhe gefunden zu haben.
„Ich bin froh, dass du da bist“, sagte Alix. „Das bedeutet mir so viel.“
Colette lächelte sie an. „Oh, Alix, du wirst eine wunderschöne Braut sein.“
„Ich werde heiraten. “ Alix lachte vor Freude auf und lief zum Haus, wo Jacqueline und Reese sie bereits erwarteten. Immer wieder gingen Familienmitglieder ein und aus. Irgendjemand hatte eine große Kanne Kaffee mitgebracht, und Jordans Verwandte kamen ins Haus, um sich eine Tasse zu holen. Jemand erzählte, dass Grandma Turner
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