Die Farben der Sehnsucht

beschlossen hätte, sich kurz auszuruhen. Alix wollte sie nicht stören.
    „Die Friseurin ist hier“, verkündete Jacqueline und schob Alix ins Haus.
    Alix blickte sie misstrauisch an.
    „Keine Sorge.“ Jacqueline hatte Alix’ Blick richtig gedeutet. „Es ist nicht Desiree.“ Am Anfang ihrer Freundschaft hatte Jacqueline Alix zu einer teueren Hairstylistin namens Desiree geschleppt. Das war Teil des berühmt-berüchtigten Umstyling-Desasters, über das sie heute noch lachten. „Desiree meinte, ich könne ihr gar nicht genug Geld bezahlen, damit sie dich noch einmal frisiert.“
    Alix grinste. Desiree würde auch nicht hören wollen, was Alix über sie dachte. „Tja, solange ich das letzte Wort habe …“ Sie war nicht gerade scharf darauf, bei ihrer Hochzeit auszusehen wie der Star einer Siebzigerjahre-Fernsehserie.
    Jacqueline nickte und führte sie ins Badezimmer. Schnell wurden ihre Haare gewaschen, geföhnt, kurz auf Lockenwickler gedreht und schließlich mit Haarspray fixiert. Alix starrte ihr Spiegelbild an und entschied, dass sie diese erwachsenere Version ihres eigenen Ichs mochte.
    „Ruht Grandma Turner sich noch aus?“, fragte sie.
    Jede Menge Menschen waren den ganzen Morgen über ins Haus hinein- und wieder hinausgelaufen. Doch niemand schien zu wissen, was mit Sarah Turner war. Ihre Schlafzimmertür blieb verschlossen.
    Am Anfang der Woche hatte Alix ihr Hochzeitskleid vorbeigebracht, und Grandma hatte darauf bestanden, das Kleid in ihrem Zimmer an die Tür zu hängen.
    Noch mit Bademantel und Hausschuhen bekleidet, näherte Alix sich dem Schlafzimmer der alten Dame. Ihr Klopfen blieb unbeantwortet. Wenn Grandma Turner noch immer schlief, war es an der Zeit, sie zu wecken. Der Fotograf würde bald eintreffen, und Alix wollte auch Grandma auf den Bildern haben.
    Nachdem sie ein zweites Mal geklopft hatte, öffnete Alix leise die Tür. Sie erblickte Jordans Großmutter, die mit ihrer Bibel auf dem Schoß im Schaukelstuhl neben ihrem Bett saß. Den Gebetsschal, den Alix ihr gestrickt hatte, hatte sie sich um die Schultern gelegt. Es sah so aus, als hätte die alte Dame die Bibel gelesen und wäre darüber eingeschlafen.
    „Grandma“, flüsterte Alix, um sie nicht zu erschrecken.
    Sarah Turner reagierte nicht.
    Vor ihr kniend ergriff Alix Sarahs Hand und schluckte schwer, als sie feststellte, dass die Finger der alten Dame eiskalt waren.
    Alix wusste, dass Grandma nicht schlief.
    Sie war tot.
    Grandma war an jenem Morgen gestorben, als sie in den Gebetsschal gehüllt die Bibel gelesen hatte.
    Ein Schluchzen entrang sich Alix’ Brust. Sie legte ihr Gesicht in Grandmas Schoß und rang um Fassung. Als sie sich ein wenig beruhigt hatte, hob sie den Kopf, berührte ganz sacht die Wange der alten Dame und stand auf.
    Leise verließ Alix das Schlafzimmer und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Die erste Person, die sie erblickte, war Jacqueline.
    „Bitte, finde Jordan für mich“, flüsterte sie gedrückt.
    „Was ist los?“, fragte Jacqueline.
    „Hol einfach Jordan her. Bitte.“
    Jacqueline wollte ansetzen, dass es Unglück brachte, wenn der Bräutigam die Braut vor der Hochzeit sah. Doch Alix’ Blick ließ sie verstummen. „Ich habe ihn vorhin noch gesehen. Moment, ich werde mich nach ihm umsehen.“
    Sie ging und kehrte ein paar Minuten später mit ihm zurück. Jordan runzelte die Stirn, als er bemerkte, dass Alix noch immer ihren Bademantel und die Hausschuhe trug. Er selbst hatte bereits seinen Smoking angezogen. „Stimmt etwas nicht?“
    Alix nickte und nahm seine Hand. Gemeinsam betraten sie Großmutters Schlafzimmer. Sofort wusste Jordan, was geschehen war.
    „Ich glaube, sie ist seit ein paar Stunden tot“, sagte Alix ihm. Ihre Stimme zitterte. „Was sollen wir tun?“, flüsterte sie heiser.
    Jordan setzte sich auf die Bettkante und senkte den Kopf, als ihm bewusst wurde, dass seine Grandma gestorben war. „Meine Großmutter hat dich geliebt, Alix. Ich weiß nicht, warum Gott sich ausgerechnet diesen Morgen ausgesucht hat, um sie zu sich zu nehmen. Aber Er hat es so gewollt. Alle sind hier. Es scheint so, als habe Grandma genau darauf gewartet – uns glücklich zu sehen und ihre ganze Familie um sich zu haben. Wir werden heute heiraten. Grandma hätte es so gewollt. Ihre Liebe ist mit uns.“
    Jordan erhob sich und schloss Alix in seine Arme. Für einen Moment legte er sein Gesicht in ihre Halsbeuge. „Ich werde es meinen Eltern sagen.“
    Während Jordan sich auf die Suche