Die Farben der Sehnsucht
Colette die Situation sicher mit Christian geklärt. Aber nicht jetzt. Sie wollte keinen Kontakt mehr zu Christian Dempsey.
Am schwierigsten für sie war es, die Entscheidung zu fällen, was sie mit den neu gewonnenen Informationen anfangen sollte.
Einige schlaflose Nächte hindurch grübelte sie darüber nach, was zu tun sei.
Ihr Gewissen würde es ihr nicht erlauben, die Tatsache zu ignorieren, dass er mit Menschen handelte.
Zugleich fragte sie sich, ob sie den Vater ihres Kindes hinter Gitter bringen konnte.
Schließlich schrieb sie einen anonymen Brief an die Zuwanderungsbehörde.
Eines war sicher – sie konnte nicht länger für Christian arbeiten. Für sie gab es nur eine Lösung: Sie musste gehen. In aller Herrgottsfrühe schrieb sie ihre Kündigung und legte sie auf seinen Schreibtisch.
Colette war sich nicht sicher, wie er reagieren würde, wenn er die Kündigung las.
Sie sollte es jedoch schon sehr bald herausfinden.
Er rief sie in sein Büro und sah sie an. Dann schlug er ihr mit einem Blick, der so verächtlich war, dass es ihr einen Stich ins Herz versetzte, vor, dass sie ihren zweiwöchigen Urlaub sofort nehmen und umgehend gehen sollte. Sie nickte, überzeugt davon, dass er wusste, was sie herausgefunden hatte. Ohne ein Wort drehte sie sich um und ging.
Das war das letzte Mal gewesen, dass sie etwas von Christian Dempsey gesehen oder gehört hatte.
Ihr Haus wurde praktisch ohne jede Verzögerung verkauft, und sie bekam eine Woche darauf den Job im Blumenladen. Glücklicherweise wechseln Immobilien in dem Teil von Seattle, in dem sie lebte, sehr schnell den Besitzer. Als sie von dem Apartment über dem Wollladen hörte, schien es ihr perfekt zu sein. Hier konnte sie sich vor Christian verstecken – und hoffte, dass er nicht nach ihr suchen würde. Ihr Lohn im Blumenladen deckte ihre laufenden Ausgaben, die sie möglichst gering hielt. Das Geld der Versicherung, das sie nach Dereks Tod erhalten hatte, sowie die Gewinne aus dem Verkauf des Hauses reichten für ein Auto. Den Rest des Geldes legte sie an und war so finanziell abgesichert.
Colette trank den Rest ihres Tees, spülte den Becher ab und machte sich fertig für den Tag. Essen konnte sie nichts – dazu war ihr einfach zu übel.
Sie führte nun ein anderes, ein neues Leben. Hatte noch einmal ganz von vorn angefangen. Sie versuchte, sich möglichst gut auf das Baby vorzubereiten, bemühte sich, regelmäßig und gesund zu essen und ihre Schwangerschaftsvi tamine zu nehmen. Im Buchladen in ihrer Straße hatte sie sich sogar einen Schwangerschaftsratgeber – What to Ex pect When You’re Expectin g – gekauft, und wünschte sich, sie hätte all diese Erfahrungen mit ihrem Ehemann teilen können. Niemand wusste über ihre Schwangerschaft Bescheid – nicht einmal ihre Eltern. Bis Christian von den Behörden festgenommen worden war, würde sie das Geheimnis für sich behalten.
Als sie zur Arbeit kam, war Susannah Nelson schon da und katalogisierte eine Lieferung neuer Blumen. Der Duft von Rosen erfüllte den Laden.
„Guten Morgen“, grüßte Susannah abwesend, noch ganz konzentriert auf ihre Tätigkeit.
„Morgen. Die Blumen duften wundervoll.“
„Ja, das stimmt.“ Susannah blickte auf und schenkte ihr ein Lächeln.
Da in der folgenden Woche Valentinstag war, hatten sie zusätzlich zu den Blumen, die am Tag zuvor eingetroffen waren, eine große Lieferung Rosen erhalten. Colettes Lieblingsblumen waren die alten oder antiken Rosensorten, die einen intensiven Duft verströmten, obwohl sie kleiner und weniger farbenprächtig als einige modernere Kreuzungen waren.
„Ich denke, wir werden heute sehr viel zu tun haben“, sagte Susannah. Sie war mittlerweile seit ziemlich genau einem Jahr Besitzerin von Susannah’s Garden , und sie lernte noch immer jeden Tag dazu. „Oh, bevor ich es vergesse: Gestern Nachmittag, kurz nachdem du weg warst, hat jemand für dich angerufen.“
Eine Gänsehaut rieselte über Colettes Rücken. Sie hatte nur wenigen Menschen verraten, wo sie sich aufhielt. „Wer war es?“
Susannah runzelte die Stirn. „Ich kann mich nicht an den Namen erinnern, aber ich habe alles aufgeschrieben.“ Sie trat hinter dem Tresen hervor, an dem sie gearbeitet hatte, ging zum Telefon und blätterte durch einen Stapel pinkfarbener Notizzettel, bis sie fand, wonach sie gesucht hatte.
„Der Anruf kam von einem Christian Dempsey. Er sagte, es sei persönlich.“
Colettes Hand fühlte sich taub an, als sie den Zettel
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